"Smoke Signals" (#) von Chris Eyre. USA, 1997. Adam Beach, Evan Adams, Gary Farmer, Irene Bedard, Tantoo Cardinal
Eine Geschichte aus den Reservaten des Mittelwestens: Victors Vater, der die Familie vor langer Zeit einfach so verließ, ist in Arizona gestorben. Er will nun runterfahren, um die sterblichen Überreste nach Hause zu holen. Weil er finanziell etwas knapp dran ist, nimmt er wohl oder übel Thomas mit, der zwar die Kohle hat, aber ansonsten wie immer nervt. Die lange Reise gen Süden bringt einige einprägsame Erlebnisse mit sich, und als die beiden mit der Asche des Vaters wieder zuhause landen, hat sich wohl einiges in ihnen getan.
Ein charmantes kleines Roadmovie (klein wie alle Roadmovies, und so soll es sein), das in Tonart und Gefühl sehr an die wunderschönen Romane Louise Erdrichs erinnert, und natürlich überall wegen seines Ethnostatus' mit feierlichem Respekt begrüßt wurde. Blödsinn ist das, denn dies ist einfach nur ein Film über Menschen in Amerika, und zwar über richtige Menschen in einem richtigen Milieu. Die Indianerreservate sind auch nur ein Ghetto wie die in L.A. oder sonstwo, nur daß sie bislang noch nicht in dem Maße für den Film ausgebeutet wurden. Daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern, denn in Indianerkultur, wenn man sie ernst nimmt, eignet sich gottlob nur wenig für Kommerzschrott, so wie er drüben gern und viel produziert wird. (Trivialquatsch im Indianergewand gibt's natürlich schon, wenn man nur an 'Die schweigende Zunge' oder ähnliche Machwerke denkt.)
Die Essenz dieses Films liegt in der Beziehung zwischen Victor und Thomas. Victor möchte gern ein richtiger Indianer sein, ernst, stolz, würdevoll, grimmig und männlich. Thomas ist ungelenk, Brillenträger mit absurder Frisur und albernen Anzügen. Er grinst naiv über beide Backen und erzählt haufenweise Geschichten, wie er sie von Oma am Lagerfeuer hören könnte. Peinlich für Victor, der ihm vorwirft, ein kompromittierendes Exemplar der indianischen Rasse zu sein, das sich nicht beklagen dürfe, wenn die weißen Rassisten sie verhöhnen. Und mit Rassismus haben auch diese beiden noch reichlich zu tun, im Mittelwesten wie weiter unten im Süden, überall setzt sich der Weiße ganz selbstverständlich an die erste Stelle und der Rote kann warten. Als die beiden in einen Autounfall verwickelt werden, wird ihnen der Rassismus fast zum Verhängnis, aber es findet sich doch noch ein weißer Sheriff, der es mit der Gerechtigkeit genau nimmt. Und so kommt alles in dem Film nicht so hart und bitter, wie es kommen könnte, der Grundtenor ist eher versöhnlich und weniger auf Konfrontation mit den Weißen ausgerichtet, als vielmehr auf die indianische Befindlichkeit. Victor lernt, seinen eigenen Gefühlen etwas näher zu kommen und sie nicht immer hinter einer harten Fassade zu verbergen. Auch rückt er Thomas' Mystizismus neugierig etwas näher, nachdem er ihn anfänglich verspottet hatte. Sein Verhältnis zur eigenen Identität wird verstärkt, und damit auch sein Selbstbewußtsein, das ihm der trinkende und prügelnde Vater immer unterdrückt hat. Überhaupt wird die Beziehung zu den Vätern abschließend von Thomas, der den Off-Kommentar gestaltet, nochmals reflektiert, die komplexen Verbindungen von Vergebung, Haß, Loslösung und Nachahmung, die auch Victor für sich zu bewältigen hat, um besser zu sich selbst zu kommen. All das klingt schwerer, als es auf der Leinwand ausschaut, denn alles wird sehr locker und flüssig erzählt, gutgelaunt gespielt und mit vielen schönen Bildern einprägsam inszeniert. Ob der Film uns nun ein ganz neues Bild der Indianer vermittelt, finde ich gar nicht wichtig. Wichtig ist, wie schon gesagt, daß er endlich mal wieder von Menschen erzählt, und das haben die Amis in den letzten Jahren fast völlig verlernt. (10.12.)