"Tango" (#) von Carlos Saura. Spanien/Argentinien, 1998. Miguel Angel Sola, Cecilia Narova, Mia Maestro, Juan Carlos Copes
Anderthalb Jahrzehnte nach "Carmen" kommt uns Saura, dessen Filmkarriere in den letzten zwanzig Jahren merklich unausgeglichener geworden ist, mit einem Tanzfilm nach ähnlichem Schnittmuster: Eine mehr oder weniger dünne Rahmenhandlung hält viele furios präsentierte Tangovorführungen zusammen, und wie bei Carmen verfließen auch hier zum Schluß Realität und Fantasie, nur daß die Verquickung nicht ganz so geschickt und spannend gelungen ist. Diesmal geht es um einen alternden Regisseur, der an einer groß angelegten Tanzdarbietung arbeitet, aber im Privatleben soviel Probleme hat, daß ihm das eine immer wieder ins andere pfuscht. Naja, nichts neues und auch nichts aufregendes, aber aufregend sollen ja auch vor allem die Tangonummern sein, und das sind sie wahrhaftig. Saura stellt hier erneut seine beachtliche Musikalität und Vitalität unter Beweis und brennt gemeinsam mit Vittorio Storaro ein visuelles und musikalisches Feuerwerk ab, wie man es selten in diesem Genre zu sehen bekommt. Weniger eine artistische Schnitttechnik, als vielmehr die Verbindung von farblichen und rein optischen Impressionen ist so beeindruckend. Mal erscheinen die Tänzer scherenschnittartig vor leuchtendem Hintergrund, mal rauscht die Kamera in hautenger Tuchfühlung durch hitzige Sälem mal fängt sie packende Massenchoreografien ein. Saura schafft hier sogar einen politischen Beigeschmack, denn sein Regisseur will mit seiner Show an Folterungen und Massentötungen während der Militärdiktatur erinnern, von der zahlreiche seiner Freunde betroffen gewesen waren. Natürlich zeigt sich die Kulturschickeria im heutigen Buenos Aires nicht interessiert, denn wer will schon an etwas erinnert werden, was so lange zurückliegt? Aber der Mann setzt sich durch, und herauskommt wirklich ein beeindruckendes politisches Tanzspiel. Insgesamt ein Film etwa in der Klasse von "Carmen", weniger kompliziert als Solanas' Tangofilme, dafür aber musikalischer. Jedenfalls das eindrucksvolle Dokument einer vielfältigen Tanzkultur. (7.11.)