"The Boxer" (#) von Jim Sheridan. Irland/England, 1997. Daniel Day-Lewis, Emily Watson, Brian Cox, Ken Stott, Gerard McSorley, Eleanor Methven, Ciaran Fitzgerald
Wie schon in "Im Namen des Vaters", und eigentlich sogar noch besser, kriegt Jim Sheridan hier das sehr seltene Kunststück fertig, qualifizierte politische Aussagen so zu formulieren, daß das Ganze nicht gleich in einen elitären Thesenfilm ausartet. Nicht nur, weil er sich einmal mehr meines Leib- und Magenthemas Irland angenommen hat, halte ich diesen Film für einen der allerbesten der letzten Monate. Er fesselt, berührt, reißt mit, bewegt und regt in besonderem Maße zum Mit- und Nachdenken an. Reich an dramaturgischen Höhepunkten und zugleich an Gedanken und Einsichten wird er sowohl die zufriedenstellen, die sich spannend unterhalten wollen, und auch die, die es politisch engagiert mögen.
Danny ist ein Ex-Boxer und Ex-IRA-Kämpfer und kommt nach 14 Jahren Gefängnis zurück in sein altes Viertel. Er will für die Kinder in der Gegend einen Boxverein aufziehen, er will mit dem Terror der alten Mitkämpfer nichts mehr wissen und er will Maggie wiedersehen, die er liebte, bevor er verhaftet wurde. Maggie ist mittlerweile die Frau eines anderen, ebenfalls einsitzenden IRA-Mannes, und als solche absolut tabu für jeden anderen Mann. Danny bekommt aber nicht nur deswegen Ärger mit den Hardlinern der Armee - auch seine eher auf Frieden ausgerichtete Haltung ist vielen ein Dorn im Auge.
Ein Film mit einer klaren, harten, für gewisse Leute durchaus unwillkommenen Aussage: Die Politik der gewalttätigen Konfrontation wird in Irland von Betonköpfen gemacht, die nur in diesem Kreislauf existieren könnten, außerhalb keine Existenzgrundlage hätten und deshalb alles daran setzen, immer wieder Öl aufs Feuer zu gießen. Dialog mit dem verhaßten Gegner, Kompromisse, Einlenken, Zugeständnisse, ein Abrücken von der harten Linie: undenkbar. Was zählt, sind Bomben, Morde, Einschüchterung, Drohung. Jedes Attentat ist ein Schlag ins Gesicht derer, die via mühevoller Verhandlung und zähem Ringen um kleinste Raumgewinne zum Erfolg kommen wollen. Am Ende von Sheridans Film wird der Führer der Betonköpfe zwar statt Danny erschossen, doch man weiß, daß der Filmregisseur sich diese Geste schuldig ist, denn als totaler Pessimist hätte er den Beruf wohl verfehlt. Aber sonst verzichtet er strikt auf verwässernde Sentimentalitäten oder publikumswirksame Abmilderungen. Obwohl er sich deutlich dem professionellen, kommerziellen Filmwerk verschrieben hat, macht er seine Ab- und Ansichten unmißverständlich deutlich. Ein anderer Punkt, den er immer wieder betont, ist die Rolle der inhaftierten IRA-Kämpfer. Sie werden von allen Seiten instrumentalisiert, mißbraucht. Die einen verherrlichen sie als Märtyrer der Sache und halten ihre Frauen in schier mittelalterlicher Bigotterie an der Leine, damit ihnen ja kein Seitensprung unterläuft, die anderen werfen sie in den Verhandlungstopf am grünen Tisch, taktieren und feilschen, um sie letztlich dann doch den Engländern zum Fraß hinzuwerfen. Sheridan verschweigt nämlich auch die Probleme der anderen Seite nicht. Maggies Vater, der auf Dialog statt Gewalt setzt, gerät schnell ins Zwielicht, mit den Engländern zu paktieren und die Anliegen der Unionisten komplett zu verraten, und in der Tat mutet sein Lavieren oft genug dubios und berechnend an, wird der Zorn derjenigen, die durch den Krieg Angehörige verloren haben, berechtigt und nachfühlbar. Zu den Engländern selbst äußert sich Sheridan hier kaum, was aber noch lange nicht heißt, daß er sich irgendwie auf ihre Seite schlägt. Sie sind da, immer und überall, ob sie nun in Hubschraubern über den Krisenvierteln kreisen, oder als Soldaten in die Straßen einfallen. Eine ebenso boshafte, wie simpel-prägnante Szene hat er sich dann aber doch einfallen lassen. Danny boxt in London für Geld vor stinkreichen Leuten gegen einen Nigerianer. Klarer könnte man die Haltung der Brits nicht veranschaulichen: Man wirft sich in Schale, amüsiert sich prächtig und sieht mit an, wie sich Burschen aus den Kolonien die Fresse polieren. Wenn die Gladiatoren dann aus dem Ring geschleift wurden, wirft man schon mal ein Geldstück rein. Die Iren haben ein besonders stark ausgeprägtes Gefühl für diese Art von Erniedrigung, und so verweigert sich Danny letztlich dann doch der miesen Show und verdirbt dem britischen Hochadel das selbstgefällige Spektakel.
Der Film ist reich an gedanklichen Anregungen und er ist hochpolitisch und engagiert. Sheridan macht klar, wofür er einsteht, und dieses persönliche Anliegen ist in jeder Szene zu spüren. Die Liebesgeschichte ist nicht neu, und man weiß ziemlich bald, worauf all das hinausläuft, aber sie ist bemerkenswert gut in den Film integriert, überlagert die sonstigen Inhalte nicht, und wenn man so gute Schauspieler hat, ist das sowieso okay. Denn vor allem die beiden Hauptdarsteller sind schlicht überragend - Daniel Day-Lewis zeigt bei Sheridan sowieso immer sein Bestes und Emily Watson stellt einmal mehr ihre eindrucksvolle Präsenz unter Beweis - und zudem wirken auch Bilder und Musik, obgleich recht konventionell verwendet, stark und fesseln von Anfang bis zum Schluß. Kurz: Großes, großartiges Kino. (24.2.)