"Washington Square" (#) von Agnieszka Holland. USA, 1997. Jennifer Jason Leigh, Albert Finney, Ben Chaplin, Maggie Smith
Einer jener Filme, die sich fast von selbst inszenieren. Man nehme eine anspruchsvolle literarische Vorlage (von Henry James diesmal, der ja auch mittlerweile recht umfassend verfilmt worden ist), versammele angesehene Darsteller, beauftrage den Produktionsdesigner mit Genretableaus Marke ausgehendes letztes Jahrhundert (weiße Sonnenschirme, sonnige Parks, Getuschel auf Dinnerparties und gelebtes Standesdenken), unterlege die selbstverständlich gepflegten Bilder mit entsprechend auf alt getrimmter Musik und engagiere dazu dann einen Regisseur, dem nicht gerade jegliches Gefühl für Timing abgeht und schon hat man grundsolides, niveauvolles und psychologisches durchaus nuanciertes Handwerk, das der Gattung kaum neue Freunde gewinnen, ihr aber auch keine alten abspenstig machen wird.
Ein Mauerblümchen, dem im Leben bis dorthin so ziemlich alles mißlungen ist, wird unversehens von einem hübschen jungen Mann gefreit. Der Vater der Braut wittert einen Erbschleicher und will die Verbindung verhindern. Sie wächst an der Herausforderung, setzt sich über die angedrohte Enterbung hinweg und entscheidet sich für ihn, der ihr kurz darauf klarmacht, daß es ihm tatsächlich nur um die Mitgift ging. Sie zieht sich fortan von jeglicher Liebe zurück, ist aber dennoch eine selbstbewußte und starke, wenn auch im Innern einsame Frau geworden. Die Anbahnung der Beziehung im gesellschaftlichen Kontext und der Vater-Tochter-Konflikt zwischen dem hartherzigen Patriarchen und der schüchtern aufbegehrenden Catherine werden gründlich und sorgfältig ausgeleuchtet, was nicht in gleichem Maße für Townsend, den jungen Werber gilt. Das Geschehen wird mit einiger Distanz, aber eher aus ihrer Perspektive betrachtet und beurteilt, er bleibt immer der Fremde, der Abenteurer, dem man als Zuschauer ähnlich mißtrauisch gegenübersteht wie der Vater. Albert Finney gestaltet seine Rolle routiniert und verläßt sich zu Recht auf seine beherrschende Anwesenheit. Der durch den Tod seiner Frau (die bei Catherines Geburt starb) verbitterte und ganz in sozialen Konventionen verhaftete Mann bringt seiner eigenen Tochter eine solche Verachtung und Geringschätzung entgegen, daß er ihren Lebensweg von vornherein als vorbestimmt betrachtet und auch unter anderen Umständen keine Abweichung ertragen könnte. Catherine hat sich unter diesem grimmigen Diktat zu einem gebückten, erniedrigten, stets schuldbewußten und gänzlich unbeholfenen Wesen entwickelt, das bei jedem öffentlichen Anlaß kläglich versagt und keinerlei Vertrauen in sich selbst hat. Jennifer Jason Leigh spielt das verhuschte, törichte, aber im Gefühl starke graue Mäuschen mittlerweile mit fast masochistischer, aber auch beeindruckender Intensität (weshalb ich sie auch gern mal wieder in einer anderen, stärkeren Rolle sehen würde). Schließlich liefert Maggie Smith einmal wieder ihre seit Jahren festgefrorene Paraderolle als intrigant-einfältig-altjüngferliche Spitznasigkeit ab - für so eine fabelhafte Schauspielerin auch etwas wenig, aber diese Literaturfilme verlangen eben nichts anderes. Der Film hat bewegende Momente, wird genau im richtigen Augenblick ruhig und eindringlich, schwelgt nur gelegentlich in breitem Zeitkolorit und kann mit bewährten künstlerischen Mitteln aufwarten, die eine gewissenhafte und angemessen tiefgründige Umsetzung des Buches garantieren. Kurz: Wer's mag, der mag's halt. So wie ich. (12.5.)