"Aimée und Jaguar" von Max Färberböck. BRD, 1998. Maria Schrader, Juliane Köhler, Detlev Buck, Heike Makatsch, Dani Levy, Peter Weck
Lilly und Felice sind zwei Frauen und lieben sich. Lilly ist mit einem Soldaten vermählt und hat vier Kinder, Felice ist Jüdin. Das allein reicht schon, um diesen beiden in jeder sogenannten freien Gesellschaft Probleme satt zu bescheren. Aber sie leben im Naziberlin 1943/44 und Felice arbeitet auch noch im jüdischen Untergrund, verhilft anderen Menschen zur Ausreise per gefälschten Pässen. Eine Liebe zweier ungleicher Frauen, die tragisch endet, enden muß - Felice wird nach Theresienstadt deportiert, von dort in irgendein Vernichtungslager, während Lilly überlebt hat, noch heute lebt. Lilly, die blonde Arierin, die Juden riechen kann, wie sie sagt, die dünnhäutige Mutter, die sich die viele Zeit mit vielen anderen Männern vertreibt, bis sie an Felice gerät und ihr schließlich mit Haut und Haaren verfällt. Felice, die dunkle Jüdin, dreist und gefahrenverliebt, die tagsüber für ein Naziblatt arbeitet, keinen Stern trägt und sich mit ihrer Lesbenclique in Cafés oder bei einem Fotografen für Nacktfototermine einfindet. Eine charismatische, lebenslustige Frau, die nur für das Hier und Jetzt lebt, es mit der Treue an sich nicht so genau nimmt, und sich erst schwer an Lillys Anhänglichkeit gewöhnt. Das alles in einer täglich von Bombern angegriffenen Stadt, in der Horror und Genußsucht, Todesangst und das Klammern an den letzten Strohhalm luxuriöser Dekadenz Hand in Hand gehen.
Ein enorm dicht und einfühlsam inszenierter Film, der weitgehend auf breite Außenszenen verzichtet (und auf die wenigen Bombenangriffe auch noch hätte verzichten können) und sich ganz den Charakteren und ihren jeweiligen Situationen widmet. Psychologisch äußerst vielschichtig und bei aller Tragik und Trauer, die die gescheiterte Liebe auslösen konnte, dennoch überraschend humorvoll und lebendig, wird geschildert, wie Felices ständiges Herausfordern des Schicksals, ihr bewußtes Wandeln am Abgrund schließlich doch zum Tode führt und eine verzweifelte Lilly zurückläßt, die nun endlich ihre wahre, vollkommene Liebe gefunden zu haben glaubte. In einer Erzählklammer am Anfang und am Schluß wird die alte Lilly Wüst gezeigt, die auch fünfzig Jahre später noch immer mit Schuldgefühlen und Trauer zu kämpfen hat und den Verlust Felices niemals überwinden konnte. Schuldgefühle, weil der Scheidungsprozeß gegen ihren Mann und ihr Besuch bei Felice im KZ verhängnisvoll für Felices Schicksals gewesen sein können, weil sie jeweils die Aufmerksamkeit der Gestapo auf die Freundin gerichtet haben. Trauer, weil ihr gesamtes Gefühlsleben mit Felices Tod zusammengebrochen ist und sie seither keinerlei Affären oder Beziehungen mehr gehabt hat. Der Film ist abwechselnd spannend, komisch, berührend, sexy, dramatisch (und zum Ende um vielleicht zehn Minuten zu lang), und er hat zwei sensationell gute Hauptdarstellerinnen, deren Anwesenheit und deren wunderbar inspiriertes Spiel allein für einen erfolgreichen Film ausgereicht hätten. Alles drumherum ist Beiwerk, sehr amüsantes und plastisch ausgemaltes, aber um diese beiden dreht es sich, und selten im teutschen Film der letzten Jahre sind einem zwei Menschen so nahe gekommen wie hier. (13.2.)