"Bis zum Horizont und weiter" von Peter Kahane. BRD, 1998. Wolfgang Stumph, Corinna Harfouch, Nina Petri, Jörg Schüttauf
Peter Kahane ist ein seltener Name in der deutschen Filmlandschaft. Vor zwanzig Jahren drehte er, damals noch in der DDR, eine schöne Männerkomödie namens "Ete und Ali" (auch mit Jörg Schüttauf übrigens), danach hat er nichts mehr gemacht, was mir im Gedächtnis geblieben ist (also höchstens TV-Kram). Zu meiner Freude stellte ich jetzt fest, daß er auch im leuchtenden Westen seinen besonderen Sinn für ungehemmte, manchmal etwas wilde, manchmal auch naive Romantik und Abenteuerlust nicht verloren hat. So kommt ein Film zustande, der Komisches mit Traurigem, Stimmungsvolles mit Nostalgischem, Zärtliches mit Rohem mischt und sich leider durch ein irrwitzig übertriebenes Finale viel von seiner sympathischen Andersartigkeit genommen hat.
Ein Ex-Baggerführer aus dem Ex-Braunkohlewüsten im Ex-Osten entführt jene Richterin, die seine Braut zu drei Jahren verknackt hat, um die Holde freizupressen. Die Entführung verläuft ähnlich unorthodox und dilettantisch, wie sie geplant war. Das Paar findet am Schluß zwar zusammen, aber nur umringt von einer Hundertschaft bewaffneter Bullen, und da er sowieso todkrank ist, lassen sich die beiden dann lieber gleich vom Zug überrollen. Wie gesagt, dieser Ausgang klingt nach abgelatschtestem Klischee, und so sieht es auch aus, was ebenso schade wie völlig überflüssig ist, zumal diese Geschichte hundert andere Lösungen angeboten hätte, die besser zu ihr gepaßt hätten. Außerdem sieht das nach anderthalb erfrischend unkonventionellen Stunden wie eine verspätete, deshalb nutzlose, und krass unglaubwürdige Konzession an den Massengeschmack aus. Davor aber hat man seinen Spaß an den brummigen, launigen und vorzüglich gespielten Charakteren (Wolfgang Strumph ist besonders witzig als sächselnder Biermann Marke 'Eins in die Fresse mein Herzblatt') und den unvorhersehbaren Handlungsumschwüngen. Je nach Laune wird man hin und hergetrieben zwischen Berlin und der Ossiprovinz, wo am Rande der Abraumhalden die Omi noch ihren Bauernhof hat, als Einzige in der menschenleeren Wildnis, und noch immer mit der Schrotflinte auf alles anlegt, was da nicht gut Freund ist. Die zickige Richterin mausert sich (auch das ist etwas dick aufgetragen) zur verständnisvollen Freundin eines Außenseiterpaares, das die ganzen Schattenseiten der Wende erlebt und durchlitten und trotzdem den Kopf nicht hat hängen lassen. Sie haben beide Geld mit ihrem Hintern verdient - sie als Nutte, der als Trompeter mit Arschmaske - aber am Schluß holt die Wessiwirklichkeit sie doch ein, und da sie getrennt und hinter Gittern nicht leben wollen undsoweiter. Alles bei Tageslicht betrachtet recht pathetisch und sehr ostalgisch, aber eben mal anders und wirklich schön und mit Herz gefilmt. Ein Film für alle, die wie ich die Schnauze voll haben von Yuppies in Hamburger oder Münchner Penthäusern. Kein Film aber für Udo-Lindenberg-Hasser wie mich. Zwischendurch muß man sich dann schon mal die Ohren zuhalten und beim Nachspann am besten ganz schnell aus dem Saale stürzen. (3.2.)