"De Verstekeling" (Blinder Passagier) von Ben van Lieshout. Holland, 1997. Bekzod Mukhamedkarimov, Ariane Schluter, Sjamoerat Oetemratov, Dirk Roofthoft, Rick van Gasel

Orazbaj lebt in Usbekistan, dort, wo einst der große See war, bevor ihn die fürchterliche Monokultur schrumpfen ließ. Nun liegen die Schiffe auf dem Trocknen, alles drum herum ist eine staubige öde Wüstensteppe, und öde und aussichtslos ist auch das einfache Leben der Leute. Der alte Vater träumt noch immer vom See, von der Zeit, als er noch einen Fischkutter fuhr, den zu verlassen er sich standhaft und trotzig weigert. Die Schwester lebt in der nächsten größeren Stadt, lebt moderner und wird bald heiraten. Eines Tages hat Orazbaj genug, er will ein neues, ganz anderes Leben, er will nach Amerika, das bisher nur als Sehnsuchtsposter an der Wand hängt. Er schmuggelt sich auf einem Schiff ein und landet in einem großen Hafen. Dort wird allerdings nicht englisch gesprochen, sondern holländisch, und er ist nicht etwa in New York, sondern in Rotterdam. Das macht aber nichts, denn beinahe findet er dort sein Glück, und wenn ihn ein eifersüchtiger Seemann nicht an die Ausländerbehörden verraten hätte, wäre aus ihm, Katharina und dem kleinen Maarten glatt eine Familie geworden.

 

Ein wunderschöner "kleiner" Film, ruhig, klar und eigentlich auch etwas traurig, vielleicht je nach Stimmungslage des Betrachters. Am Schluß hockt Orazbaj wieder auf der heimatlichen Sanddüne, und plötzlich erscheinen ihm Katharina und Maarten in einer kurzen, schmerhaft schönen Vision, bevor sie vermutlich für immer verschwinden. Diese kurze Vision von einem fernen, unerreichbaren, glücklichen Leben gibt ihm andererseits vielleicht auch Kraft, im Hier und Jetzt doch noch etwas mit sich anzufangen. Ein Film über das Leben in einer Wüste, die durch Mißwirtschaft und gnadenlose Ausbeutung der Natur zerschunden wurde, in der Nähe eines großartigen Sees, der mehr und mehr austrocknet und eine der größten Umweltkatastrophen der Welt darstellt. Ein Film über die Welt, und wie groß sie ist, wie vielfältig und wieviel die Menschen manchmal voneinander trennen kann und wie sie sich trotz allem nahe kommen können. Genauso nahe ist der Film selbst diesen Menschen, betrachtet sie mit viel Wärme, Diskretion und Verständnis und auch manchmal leisem Humor. Nichts ist hier aufdringlich, keine großen Pamphlete zum Thema Ökologie oder Ausländerfeindlichkeit werden verlesen, dafür werden lieber schöne und spannende Bilder aus einer mir bis dahin völlig fremden Gegend gezeigt. Die Schauspieler sind wunderbar und die Erzählweise ebenso, ganz gelassen, einfach und voller zarter Momente, die sich harmonisch zu einem beeindruckenden ganzen fügen. Mir hat das jedenfalls sehr gefallen. (28.9.)