"Central do Brasil" (Central Station) von Walter Salles. Brasilien Frankreich, 1997. Fernanda Montenegro, Vinicius de Oliveira, Marilia Pera, Caio Junqueira, Matheus Nachtergaele

Josué und seine Mutter Ana suchen den gemeinsamen Vater irgendwo draußen in der Wildnis. Dora ist Briefeschreiberin in Rio, will den Brief der beiden zunächst vernichten wie viele andere, bleibt aber am Ende auf dem Jungen hängen, weil seine Mutter vom Bus überfahren wird, und sie doch nicht so hart sein kann, wie sie möchte. Die beiden reisen per Bus, LKW und Anhalter quer durchs Land in den staubigen Sertao und finden am Schluß wenigstens Josués Brüder, sodaß Dora nach erfüllter Mission wieder zurückfahren kann, zumal doch eine Hoffnung besteht, daß sich auch der Vater über kurz oder lang einfinden wird.

Ein brasilianisches Roadmovie im klassischen Sinn, ein Film über eine Reise, über Orte, Abenteuer, und darüber, was diese Reise mit den Menschen anstellt, die sie antreten. Vor allem aber ein Film voller sehr berührender, mal komischer, mal trauriger Momente, der immer rechtzeitig die Kurve vor dem Kitsch erwischt und außerdem eine Menge über das Land Brasilien erzählt. Rio taucht zunächst als unheimlicher Dschungel auf, randvoll mit wimmelnden Menschen, mit Armut, willkürlicher Gewalt und skrupellosen Leuten, die Kinder nur ihrer Organe wegen verschachern. Der Zentralbahnhof, wo Dora mit ihrem Schreibpult sitzt, ist zugleich das Zentrum des Gewühls und der Rastlosigkeit, ein Ort also, an dem der neunjährige Josué todsicher auf die Dauer verloren ist. Dann draußen das Land, arm, öde, fast afrikanisch anmutend, voller merkwürdiger Gestalten, die sich schließlich alle bei eine jener grotesken Wallfahrten treffen, die die sogenannte dritte Welt zusammenzuhalten scheinen.

 

Es braucht einige Umwege, bis Dora, die gern trinkt und lästert und die Briefe ihrer Kunden zerreißt, bereit ist, sich zu ihren Gefühlen und ihrer Verantwortung Josués gegenüber zu bekennen. Aus einer eher kratzbürstigen Zweckgemeinschaft wird am Schluß, wie sicherlich zu erwarten war, eine tiefe Freundschaft. Die beiden Hauptdarsteller sind wunderbar, ebenso wie die Kunst des Regisseurs, einen schön weich fließenden Rhythmus und schöne Bilder zu finden. Leider findet er etwas spät zum Ende, fünf oder zehn Minuten zu spät, um genau zu sein, wenn man spürt, daß nichts mehr kommen wird und alles gesagt ist. Eine kleine Unvollkommenheit nur in einem ansonsten wirklich sehr warmen, bewegenden Film, der besser ist als fast alles, was ich bislang aus Brasilien gesehen habe. (5.1.)