"Festen" (Das Fest) von Thomas Vinterberg. Dänemark, 1998. Ulrich Thomsen, Thomas Bo Larsen, Paprika Steen, Henning Moritzen, Birthe Neumann, Trine Dryholm
Paps ist ein reicher Patriarch, der auf seinem prunkvollen Landsitz seinen Sechzigsten feierlich begehen will. Die ganze Familie ist da, auch die drei Kinder, die vor kurzem noch zu viert waren, bis zum Selbstmord von Christians Zwillingsschwester, die noch wie ein Gespenst durch die Räume geistert. Alles geht gut, bis Christian bei Tisch seine ganz spezielle Rede hält und damit eine echte Lawine lostritt.
Ein absolut genialer Film, ein saftiger Schlag mitten in die Fresse Hollywoods, denn so, ihr Motherfuckers, so sieht ein wirklich guter Film aus, und sowas werdet ihr nie nie nie hinkriegen! Das bekannte Thema vom großen Familienfest, das unfreiwillig zur Bühne heftiger Auseinandersetzungen und schmerzhafter Wahrheiten mutiert, wird derart virtuos und lässig, derart realistisch und zugleich ironisch-drastisch aufgetischt, daß dem Zuschauer stellenweise wirklich die Luft wegbleibt. Man weiß nie genau, ob man lachen oder vor Entsetzen schweigen soll, dabei geht alles so rasant schnell, ohne überhaupt ansatzweise hektisch oder unsouverän zu sein. Eine Wackelkamera à la Lars von Trier (eindeutig ein Vetter im Geiste Vinterbergs) hüpft unbekümmert, doch mit bestechend scharfem Blick für Kleinigkeiten und Gesichter durch die Räume und schert sich einen Dreck über perfekt ausgeleuchtete Szenerien. Das brillante Darstellerensemble macht das Zuschauen zur Sucht an sich, und die Dialoge könnten einfach nicht besser sein, so haargenau scheinen sie der Realität abgehört, die ganzen offenen und versteckten Bosheiten, die Aggressionen, die Floskeln, mit denen sich die Zeremonieschützer verzweifelt bemühen, das Fest vor der Katastrophe zu retten, vor allem die mütterliche Rede, die hinter vermeintlichem Lob bittere Vorwürfe verbirgt, all dies ist das pure Vergnügen, und hätte für meinen Geschmack noch stundenlang so weitergehen können.
Ein sowohl formal als auch substantiell vollkommen überzeugender Film, einer der wenigen, die mich auch noch für Stunden nachher in eine besondere Hochstimmung versetzt haben, eine echte (und natürlich viel zu seltene) skandinavische Sternstunde. (7.1.)