"The General" (Der General) von John Boorman. Irland, 1998. Brendan Gleeson, Jon Voight, Maria Doyle Kennedy, Adrian Dunbar, Sean McGinley, Angeline Ball
Die wahre Geschichte Martin Cahills, des frechen Ghettojungen aus Dublin, der früh das Klauen lernt, sein Talent später zu echtem Genie reifen läßt, Anführer einer berüchtigten Gang wird, die spektakulärsten Coups landet, die Polizei öffentlich demütigt und im Gegenzug von ihr terrorisiert, brutalisiert und drangsaliert wird. 1994 hat die IRA genug von diesem medienwirksamen, unbequemen Nebenbuhler, der ihr Geld und Publicity weggeschnappt und obendrein Geschäfte mit den protestantischen Paramilitärs von UVF gemacht hat, und läßt ihn töten. Die Polizei schaut diskret zur Seite und auf der Wache feiert man seinem Tod wie einen Sieg. Nur einer feiert nicht mit: Kenny, den eine fast lebenslange Haßliebe mit Cahill verband und der als einziger einsieht, wie tief die Gesetzes- und Moralhüter in Uniform im Laufe der Jahre gesunken sind.
Dies ist eines der Hauptanliegen des Films, diese komplexe Beziehung zwischen Cahill und Kenny, zwischen dem anarchistischen, sperrigen, unerhört kriminell veranlagten Individuum und der staatlichen Autorität, die immer wieder peinliche Niederlagen einstecken muß und sich schließlich nicht mehr anders zu helfen weiß, als ihrerseits illegale Methoden anzuwenden, Cahill und seine vielköpfige Familie auf Schritt und Tritt zu bewachen und auch physisch massiv zu bedrängen. Kenny erkennt diesen Moralverfall, diese endgültige Niederlage sehr wohl, vor allem als er selbst einmal die Beherrschung verliert und Cahill im Verhör schlägt, dennoch ist auch er besessen von dem Wunsch, den langjährigen Rivalen endlich festsetzen und die alte Rechnung begleichen zu können. Schon damals, als das unerwünschte Ghetto geräumt und die sozial schwach gestellte Bewohnerschaft anderswo angesiedelt werden soll, tritt Cahill der polizeilichen Gewalt mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit und entschlossenem Fanatismus gegenüber, indem er sich weigert, seine Wohnung zu räumen und sich sogar mit Wohnwagen und später Zelt auf dem Abbruchgelände breitmacht. Cahill ist ein genialer Provokateur, der sich gern als öffentlicher Clown tarnt, aber jederzeit schlau genug ist, um den plumpen Arm des Gesetzes auszutricksen. Er ist auch ein genialer Stratege, der mit seiner Gang Raubzüge plant, die nicht mal die ehrenwerte IRA hinkriegt, und der nur deswegen Probleme kriegt, weil er als einziger diszipliniert genug lebt, um die Beute nicht gleich für Drogen und Alkohol zu verjuxen. Er ist streng gegen Drogen eingestellt und beantwortet eine Antidealerkampagne wütender Eltern mit einer Gegenveranstaltung empörter, in ihrer Ehre getroffener Gauner. Und dann ist er zusätzlich noch ein wahrer Freigeist, der mit zwei Frauen (zwei Schwestern) lebt, von beiden Kinder hat, sich politisch unbedarft und unabhängig gibt, sich selbst hauptberuflich als Krimineller mit einem dementsprechenden Ethos versteht und sein Selbstbewußtsein als Kind der Armensiedlung niemals aufgibt. Sein Motto bleibt: Wir gegen sie.
Ein Film mit vielen Schichten, eine Biografie, ein Stück Zeit- und ein Häppchen Sozialgeschichte, ein Gangsterfilm und eine Psychostudie, alles geformt zu einer eleganten, völlig unangestrengten Schwarzweißballade mit wunderschönen Bildern, wunderschöner Musik (u.a. von Mr. Morrison) und brillanten Schauspielern. Der Stilist und der Geschichtenerzähler arbeiten bei Boorman vollendet zusammen, sein Ton ist leicht, zärtlich, läßt Komödiantisches und Tragisches bruchlos ineinanderfließen, die Dramaturgie ist souverän und ohne jeglichen Durchhänger und der wunderbare Humor (nicht so grimmig wie in "Starkey", aber manchmal doch recht schwarz gefärbt) läßt den Zuschauer fast zwei Stunden lang ununterbrochen mitkichern. Dies ist Kino für Genießer, ein großartiger Film ohne falsche Töne, ein Film, der nicht mehr sein will, als er ist, und der genau deshalb doch viel mehr ist. (4.8.)