"The thin red Line" (Der schmale Grat) von Terrence Malick. USA, 1998. Sean Penn, Nick Nolte, Ben Chaplin, John Cusack, Woody Harrelson, Elias Koteas, Adrien Brody, Jim Caviezel
Nachdem die Amis das Vietnamtrauma offensichtlich (zumindest im Kino) endgültig abgehakt haben, erlebt nun der good old Zweite Weltkrieg seine Wiederauferstehung (Korea läßt sich scheinbar nicht so recht ausschlachten). Erst scheucht Stevie Spielberg seine Rekruten über die mörderischen Strände der Normandie, und nun meldet sich Terrie Malick nach zwanzig Jahren Abstinenz ausgerechnet mit einem dreistündigen Kriegsepos zurück. Was um alles in der Welt, so habe ich mich vorab gefragt, interessiert den Regisseur von 'Badlands' und 'Days of Heaven' an der Schlacht von Guadalcanal irgendwo im Pazifik? Nachdem ich dann den Film gesehen habe, wußte ich die Antwort, und zum Glück ist dies kein normaler Kriegsfilm, sondern eine in vieler Hinsicht außerordentliche Leistung. Es geht hier auch nicht primär um den Krieg im Pazifik, oder um den Kampf zwischen Amerikanern und Japanern, denn im furchtbaren Gemetzel, im Dickicht des Dschungels gehen Staatsangehörigkeiten, Patriotismus oder andere Polarisierungen sehr schnell verloren, haben keine Bedeutung mehr. Das ist schon mal die eine große Leistung Malicks. Die andere, in Hollywood fast gar nicht mehr anzutreffende und deshalb besonders hervorzuhebende ist die, das dieser Film wirklich eine persönliche Vision hat, es ist der Film eines Regisseurs, der einer Idee nachhängt und diese so intensiv wie möglich mitteilen will. Was ihm großartig gelungen ist.
Malicks Vision ist die vom Paradies, von der völligen Unberührtheit der Welt, vom harmonischen Einklang des Menschen mit der Natur, in und von der er lebt. In langen, rauschhaft eindringlichen und meditativen Sequenzen tauchen Bilder von enormer Schönheit auf, Bilder von Südseeinseln oder von endlosen, windbewegten Grasmeeren, durch die sich die Soldaten, verängstigt, in ständiger Erwartung des Todes, vorwärtsbewegen. Immer wieder kontrastiert die Schönheit der Landschaft schmerzlich mit der Grausamkeit menschlichen Tuns, welches wiederum in Beziehung gesetzt wird zu den Südseebewohnern, die von den Ereignissen überrollt werden. Malick zeigt stets die zwei Seiten der gleichen Münze, die nur durch eine dünne Linie getrennt sind: In ausführlichen Off-Monologen reflektieren die beteiligten Soldaten selbst über das, was sie tun, warum sie es tun, warum der Mensch überhaupt so etwas tut, und wie er sich vielleicht retten, oder auch nur mit der gegenwärtigen Situation klarkommen kann. Zwei Marines unterhalten sich, stellvertretend für die Position des Regisseurs, mehrfach über diese zwei Seiten der Medaille: Der eine behauptet, die Welt sei schmutzig und verloren, und man könne nur versuchen, irgendwie zu überleben, und der einzelne Mensch gelte gar nichts darin. Der andere setzt seine Erfahrungen auf einer der Inseln dagegen, wo er mit den Tauchern, den Menschen gelebt und eine ganz andere, unschuldige, paradiesische Welt erlebt hat. Darauf sagt der erste zu ihm: 'Dann hast du etwas gesehen, das ich nie sehen werde.' Malick selbst verrät diese Sehnsucht nach dem Ungesehenen, nur zu Ahnenden, und er sucht ständig danach, auch im schlimmsten Schlachtgetümmel. Dieses wiederum interessiert ihn auch nur insofern, als es etwas mit den Männern anrichtet, sie deformiert, für immer verändert. Manche werden wahnsinnig, anderen sterben vor Angst, wieder andere brechen toten Japanern Goldzähne aus dem Mund. Selbst die ruhigsten, tapfersten Soldaten verzweifeln angesichts der fanatischen Ignoranz ihrer Befehlshaber, denen einzelne Menschenleben nichts gelten und die nur auf ihren privaten Ruhm aus sind. Dieser Handlungsstrang mit einem etwas forciert spielenden Nick Nolte im Zentrum, ist der überflüssigere im Film, weil man so etwas auch in anderen sogenannten Antikriegsfilmen sehen kann. Ansonsten besticht Malick durch die Originalität seines Ansatzes, seiner Perspektive und durch die Konsequenz, mit der er sein persönliches Anliegen umgesetzt hat. Die vielen Stars halten sich daran, niemand spielt sich in den Vordergrund, und so kann sich er Bilderrausch frei entfalten, den Malick ja nicht zum Selbstzweck, sondern ganz gezielt und mit Sinn benutzt. Die Frage für den Konsumenten ist nur die, ob er Kriegsfilme an sich ertragen kann oder nicht. Mein Lieblingsgenre ist das auch weiß Gott nicht, aber wenn man andererseits eine solche Gedankentiefe, eine solche Intensität an Reflektionen erleben kann, sieht man vielleicht schon mal über das äußerliche Hindernis hinweg. Verglichen mit anderen amerikanischen Filmen der letzten Jahre bildet der hier eine ganze Klasse für sich. (2.3.)