"Au cœur du mensonge" (Die Farbe der Lüge) von Claude Chabrol. Frankreich, 1998. Jacques Gamblin, Sandrine Bonnaire, Antoine de Caunes, Valeria Bruni Tedeschi, Bulle Ogier, Bernard Verley

In Saint-Malo wird ein kleines Mädchen vergewaltigt und erdrosselt. Ein Maler, der mit seiner Frau etwas abgelegen an der Küste wohnt, gerät in Verdacht. Ein prominenter Fernsehmann umwirbt die Frau und stirbt auch noch. Wieder ist der Maler verdächtig, aber dann verhaftet die ermittelnde Kommissarin doch jemanden anderes.

 

Was sich anhört wie ein richtig sauberer klassischer Krimi nach dem Whodunit-Muster, ist eigentlich eher eine sehr ruhige und intensive Psychostudie und obendrein noch überraschend ernst und seriös für Herrn Chabrol, der ja sonst eigentlich als Spötter und Giftspritzer wider die verhaßte Bourgeoisie bekannt und beliebt ist. Die Potentiale einer Krimihandlung werden so gut wie gänzlich ausgespart. Es gibt einen Mord, einen Hauptverdächtigen, eine Kommissarin, eine Leiche, aber wer auf Spannung, Spektakel und dramatische Verstrickungen und Wendungen wartet, wird dies vergeblich tun. Zwischen wenigen Hauptpersonen spielt sich ein komplexes Spiel ab, das im Titel bereits benannt ist: Es geht um Lüge und Wahrheit, um Mißtrauen, Ehrlichkeit, Betrug, Eifersucht und letztlich um einen ungleichen Kampf zwischen dem introvertierten, mürrischen, unzugänglichen Maler René und dem weltmännischen, eroberungssüchtigen, eitlen und intriganten TV-Star, der die Frau ins Bett kriegt, aber dann doch nicht richtig zum Zuge kommt. Viviane steht zwischen den beiden Männern, einerseits ermüdet und ein bißchen frustriert von kargen und lebensfernen Dasein mit ihrem Mann, andererseits aber doch ihrer Solidarität und Liebe verpflichtet, weswegen sie mit dem Charmeur dann doch nicht schlafen kann. Am Schluß ist die dann nochmals gespalten zwischen dem schrecklichen Verdacht, René könne ein Mörder sein und dem Glauben an seine Beteuerungen. Ein stetiges Gefühl der Unsicherheit und Ambivalenz herrscht zwischen den Menschen hier vor, ein spannender und etwas schwerblütiger Schwebezustand, der dem Film seine enorm dichte Atmosphäre gibt. Diese Atmosphäre drängt sich aber nicht auf, sie springt uns nicht gerade an, sondern sie will erspürt werden, wie die Nebel der Bretagne, die natürlich eine besonders für mich verführerische Kulisse abgibt und meine Sympathien für den Film allein schon gewonnen hat. Chabrol verzichtet auf den für ihn so charakteristischen Sarkasmus, keine Scherze diesmal, keine makabren Effekte oder schrille Bürgermonster, vielmehr besonders exzellente Schauspieler, die das ruhige, sparsame Geschehen mit viel Leben und Tiefgang füllen und auf beeindruckende Weise einen ungewohnten, man möchte fast sagen gesetzten Chabrol-Film gestaltet haben. (7.9.)