"The ninth gate" (Neun Pforten) von Roman Polanski. Frankreich/ Spanien, 1999. Johnny Depp, Emmanuelle Seigner, Lena Olin, Frank Langella, Barbara Jefford

Dreißig Jahre nach "Rosemary's Baby" besinnt sich Polanski wieder mal auf den guten alten Lucifer, auf okkulte Zirkel, auf düstere, verschlüsselte Botschaften und Geheimnisse, auf das menschliche Streben nach teuflischer Macht, nach einem Pakt mit den Mächten der Finsternis, nach dem absoluten Wissen um alle Dinge des Lebens und des Todes. Ein smarter Experte für antiquarische Kostbarkeiten wird beauftragt, in Portugal und Frankreich nach zwei Büchern zu suchen und sie mit einem dritten zu vergleichen. Es geht, wie gesagt, um den Teufel, um ganz alte, legendäre Schriften, um alte Holzschnitte, in deren Abweichungen voneinander die Lösung des Rätsels liegt. Wie zu erwarten ist, verläuft die Suche des Herrn aus New York nicht eben reibungslos, doch alsbald wird er selbst vom teuflischen Fieber angesteckt und ruht nicht eher, bis er in einem französischen Schloß ans Ziel der Reise gelangt und selbst Erleuchtung erfährt.

 

Dreißig Jahre nach "Rosemary's Baby" besinnt sich Polanski auch auf seine Qualitäten als Geschichtenerzähler, der es nicht nötig hat, seine Kunst hinter Oberflächenbrimborium zu verstecken. Selten habe ich in den letzten Jahren im Mainstreamkino einen derart souverän und gelassen erzählten Film gesehen, einen fast provokativ langsam erzählten Film, der die actionhungrigen Jungs im Parkett über zwei Stunden genervt mit den Hufen scharren läßt und ihnen konsequent verweigert, was sie ganz offensichtlich erwartet haben: Special Effects zuhauf, Hightechaction, Blut und allerlei schaurigen Firlefanz. Polanksi verläßt sich auf den intensiven, hypnotischen Sog der Geschichte, in den man sich als Zuschauer zugegeben erst mal reinziehen lassen muß (was um halb zwölf nachts gar nicht so einfach ist), der aber spannender und spannender, dichter und dichter wird, je weiter die Erzählung fortschreitet. Bedächtig, detailliert und mit sehr viel Zeit für ebenso schöne wie ungekünstelte Bilder schreitet der Rhythmus voran und wird nur gelegentlich mal unterbrochen von einem jener makaberen Scherzchen, für die Polanski halt seit fünfunddreißig Jahren berüchtigt ist. Zum Schluß wird's natürlich ein wenig sehr mystisch und weit hergeholt, aber der Filmemacher wahrt die Distanz, trägt nicht zu dick auf, sodaß sich auch dies ertragen läßt. Das einzige Problem hatte ich mit den Figuren bzw. den Darstellern. Johnny Depp baut als bebrillter, abgezockter, aber irgendwie ungeschickter Bücherwurm wenig Nähe zum Publikum auf und stolpert hartnäckig und unbedarft von einer Gefahr in die nächste. Lena Olin hat zu meinem Leidwesen viel zu wenig zu tun und Emmanuelle Seigner hat immer noch nicht erklären können, was Polanski nun eigentlich an dieser Frau hat, denn in punkto Ausdrucksstärke oder Tiefgang hat sie seit "Frantic" kein bißchen aufgeholt. Hier hätte der Film zweifellos etwas mehr tun können, hätte den Personen und ihren Darstellern etwas mehr Sorgfalt widmen können - so ist es ganz der Film eines Gestalters geworden, eines großartigen, wenn auch erratischen Regisseurs, der noch immer unnachahmlich Spannung erzeugen und angenehmen, aber manchmal auch beängstigenden Grusel verbreiten kann. Für meinen Geschmack ist dies ein wunderbar altmodisches, im besten Sinne klassisches Stück Abenteuerkino, das ich jedem einzelnen computeranimierten US-Machwerk dieser Tage vorziehe. (20.12.)