"The Wisdom of Crocodiles" (Die Weisheit der Krokodile) von Po-Chih Leong. England, 1998. Jude Law, Elina Löwensohn, Timothy Spall, Kerry Fox, Jack Davenport
Steven hat nicht nur einen Nachnamen ohne Vokal, sondern auch noch ein Faible für gründliche Buchführung. In einem kleinen Büchlein stehen viele Frauennamen und viele Bemerkungen dazu. Er lernt Frauen kennen, verführt sie, tötet sie und trinkt ihr Blut, ihr Leben, ihre Liebe - ein moderner Vampir, charismatisch, einsam, mitten in der großen Stadt London. Dann heftet sich aber doch die Polizei an seine Fersen und er lernt Anne kennen und liebt sie so, daß er sich diesmal gegen sein und für ihr Leben entscheidet. Am Schluß überlegt er es sich fast noch anders, aber sie kann sich wehren.
Keine schauerliche Blut- und Knoblauchorgie aus Transsylvanien, aber auch kein angeberisches Spielchen mit Zitaten und Special Effects, sondern von Beginn an ein faszinierend intensiver und konzentrierter Film, dessen Sog aus der eindrucksvollen Optik, dem perfekt gestalteten Miteinander der Darsteller und der konsequenten Handlungsabfolge resultiert. Es geht um Schicksal, um Unausweichlichkeit, um ein Wesen, das nicht aus sich selbst heraus existieren kann, sondern alles Leben, alle Gefühle aus anderen heraussaugt. Wenn die Kräfte nachlassen, muß ein neues Opfer her, und da es sich um einen attraktiven und charmanten Mann handelt, hat er damit keinerlei Probleme. Der pummelige, etwas ungelenke Polizist, den Steven aus einer lebensbedrohlichen Situation rettet, scheint hoffnungslos unterlegen zu sein, doch gleicht er mangelnde Ausstrahlung durch Scharfsinn und Hartnäckigkeit aus. Die Geschichte wird knapp, ohne jegliche Abschweifung und hochgradig effektiv erzählt, es gibt vor allem stille, intime Momente, aber auch die großen, etwas lauteren Szenen stören nie, drängen sich nie nach vorn. Die etwas artifizielle, oft leicht unwirkliche und traumähnliche Stimmung spiegelt sich in den sorgfältig gewählten künstlerischen Mitteln und im hochklassigen Spiel der Schauspieler, deren Gesichter sich tief einprägen. Alles in allem ist dies Mitternachtskino der klassischen Art, subtil, hypnotisch, gruselig und im besten Sinn des Wortes stilvoll. (22.6.)