"Ein Lied von Liebe und Tod - Gloomy Sunday" von Rolf Schübel. BRD/Ungarn, 1999. Erika Marozsán, Joachim Król, Ben Becker, Stefano Dionisi

Mit Melodramen ist das so eine Glückssache, eine Frage des Stils, wenn man so will. Die allermeisten sind zu dick, zu kitschig, zu platt aufgetragen, und nur ganz wenige haben tatsächlich die Klasse, die selbst so kalte Fische wie mich rührt. Dies hier ist genau so ein Film, ein zumal in teutschen Landen ganz ganz rare und deshalb kostbare Mischung aus Gefühl, Erotik, und Zeitkolorit, brillant gespielt und gefilmt und von einer Intensität, die magnetische Ausmaße erreicht.

Eine Frau, drei Männer, ein Restaurant und ein Lied, dies alles in Budapest Ende der Dreißiger bis Mitte der Vierziger. Dazu eine Zeitklammer, die das Geschehen als die Erinnerung eines der Protagonisten ausmacht. Also: Drei Männer, ein Jude, ein introvertierter Pianist und ein strammer Deutscher, der als schwarztragender Obersturmbannführer (oder so) endet. Eine Frau: Ilona, schön, frei in der Wahl ihrer Liebhaber, hin und hergerissen zwischen dem Juden und dem Pianisten, der ihr jenes Lied schenkt, das Lied vom traurigen Sonntag, das zahllose Menschen in seinen Bann schlägt, eine große Suizidwelle über die Stadt schwappen läßt und schließlich auch das tragische Schicksal der beiden Liebhaber Ilonas untermalt. Unter dem furchtbaren Druck der Nazis nimmt sich der Pianist das Leben, weil er nicht für Totenkopfträger spielen, aber auch nicht kämpfen kann. Der Jude, seinerseits ebenfalls kein großer Kämpfer, wird von dem strammen Deutschen, dem er einst das Leben rettete, nach Auschwitz geschickt, und so bleibt es Ilona vorbehalten, mehr als fünfzig Jahre später Rache zu nehmen an dem mittlerweile angesehenen und erfolgreichen Geschäftsmann, der es geschafft hat, sich einen Ruf als Judenretter zu erschleichen.

 

Wenn so eine Geschichte nicht mit Geschmack und Stilsicherheit vorgetragen wird, rutscht sie gnadenlos in schlimmste Kolportage ab. Schübel allerdings inszeniert derartig souverän, intim, eindringlich und dezent, daß es keinen einzigen falschen Ton in diesem Film gibt. Die Figuren sind vielschichtig angelegt, die Konzentration gehört der Dreierkonstellation, in die sich immer wieder unheilvoll der zunächst tumb unbeholfene, später teuflisch machtgeile Deutsche mischt. Wir sehen keine Stereotypen, sondern eigenständige, differenzierte Charaktere, die durchaus nicht alles von sich preisgeben, sondern manches Mal Rätsel aufgeben. So bleibt bis zum Schluß eine konstante Spannung erhalten, auch dann, als sich der erotische Zauber der ersten dreiviertel Stunde notwendigerweise im Räderwerk der deutschen Vernichtungsindustrie verflüchtigt. Als Zuschauer erlebt man diese Augenblicke der Zärtlichkeit, der äußeren und inneren Konflikte und schließlich der Lebens- bzw Todesangst so hautnahe mit, wie selten in einem solchen Film. Diese Unmittelbarkeit, hauptsächlich vermittelt durch ein großartiges Darstellerensemble, ist zusammen mit Schübels Qualitäten als Regisseur, die er nach dem überragenden "Walerian Wrobel" leider nie mehr in diesem Maße hatte zeigen können, Grund für die Wirkungskraft des Films, der eindeutig zu den schönsten aus Teutschland in diesem Jahr zählt. (26.10.)