"Get Real" (Get Real - Von Mann zu Mann) von Simon Shore. England, 1998. Ben Silverstone, Brad Gorton, Charlotte Brittain, Tim Harris, Stacy Hart, Kate McEnery

Es gibt schon eine Reihe von Filmen darüber, wie unerfreulich es ist, in England zu leben und schwul zu sein. Man weiß das mittlerweile, und erfährt deshalb hier auch nichts Neues. Welche Probleme ein Sechzehnjähriger an seiner Schule, in der sauberen Kleinstadt, in der Familie und mit sich selbst hat, wie fürchterlich die ganze Geheimniskrämerei mit dem statusbewußten Freund, den gehässigen, intoleranten, ignoranten Mitschülern, den ahnungslosen Eltern und wie unendlich langwierig und hart der Weg bis hin zum öffentlichen Coming Out ist, all dies kann man sich leicht vorstellen und auch mitfühlen. Es kann also nicht das Verdienst dieses Films sein, uns einen gänzlich neuen Tatbestand nahe zu bringen, sondern nur, uns einen bereits bekannten wieder mal ins nähere Bewußtsein zu rufen und uns erneut gefühlsmäßig dafür zu engagieren. Und das kriegt er prima hin. Er ist sehr witzig, ebenso gefühlvoll, immer reichlich lebensnah und voll auf der richtigen Seite. Er nimmt deutlich Partei für Stephen und seine Bedrängnisse, für die pummelige, aber treue und solidarische Freundin und für alle, die ihre Vorurteile und ihr dummes Standesdenken überwinden können. Das sind allerdings nicht allzu viele, auch Stephens heimliche Liebe John letztlich nicht, denn der kneift dann doch und zieht ungeachtet aller Bitten und Appelle an Ehrlichkeit und die wahren Gefühle die Karriere im fernen Oxford vor. Kein Happy End im eigentlichen Sinne, aber auf der anderen Seite dann doch, denn Stephen ist über seinen Schatten gesprungen und siehe da: Die Eltern werden ihn trotzdem lieben und an der Schule finden sich doch ein paar, die seinen enormen Mut anerkennen und ihn respektieren werden. Daß diese Gesellschaft dennoch eine spießige, engstirnige, vernagelte, prüde und verlogene ist, steht selbstredend nicht in Frage. Schwule dürfen's höchstens auf dem Klo oder nachts im Park treiben, kommen in der lokalen Hierarchie gleich nach Junkies und müssen mit Nachstellungen in jeder Form rechnen. Der Film, geht sein Thema nicht so bissig und kämpferisch an wie einst Stephen Frears vor fünfzehn Jahren, aber er überzeugt dennoch durch sein Herz und seine aufrechte Sympathie. Treffender Humor und gute Schauspieler sind dabei wichtig, und da beides in genügendem Maß vorhanden ist, kann man absolut von einem sehr schönen Film reden und sowieso davon, daß man gewisse Themen gar nicht oft genug behandeln kann. (23.10.)