"Hideous Kinky" (Marrakesch) von Gillies MacKinnon. England/ Frankreich, 1998. Kate Winslet, Bella Riza, Carrie Mullan, Said Taghmaoui, Abigail Cruttenden, Pierre Clémenti, Ahmed Boulane

Wir schreiben das Jahr 1972. Alle Welt, die sich für hip hält und unbedingt bewußtseinserweiternde Erfahrungen machen will, pilgert irgendwo nach Nordafrika, am liebsten aber nach Marokko. Auch Julia ist mit ihren beiden Töchtern Bea und Lucy nach Marrakesch gekommen, teils um ihrem untreuen Gatten, einem englischen Schreiber, zu entkommen, teils aber auch, um nach neuem Lebenssinn zu forschen. Doch der Aufenthalt gestaltet sich problematisch: Der Herr Gemahl schickt nur unregelmäßig Schecks gen Süden, diverse Versuche Julias, selbst Geld zu machen, enden zumeist erfolglos, die Liaison mit Bilal, einem unsteten Einheimischen, bringt zwar Abenteuer, aber nicht die ersehnte familiäre Sicherheit, die Aufnahme in die Nachbarschaft ist auch nicht gerade konfliktfrei und schließlich sind da ja auch noch die beiden Mädchen mit ihren Ansprüchen, ihren Sorgen und Träumen. Besonders Bea begehrt schließlich auf, möchte ein geregeltes Leben führen, möchte in die Schule gehen und hat die Nase gründlich voll vom ziellosen Treiben ihrer Mutter.

 

Eine Romanverfilmung, sehr sorgfältig gestaltet, mit besonders schönen Bildern, einem tollen Soundtrack (endlich endlich endlich mal meine Leib- und Magenband ISB im Film!!!) und sehr viel orientalischer Atmosphäre. Also auf jeden Fall mal etwas für Auge und Ohr. Die Schwächen liegen eher im darstellerischen und psychologischen Bereich. Kate Winslet bleibt recht blaß und vage als Julia, ist zwar häufig im Bild zu sehen, doch als Mensch ist Julia merkwürdig undeutlich und schematisch. Vielversprechend dagegen die zwei Mädchen. Vorzüglich sind die beiden kleinen Schauspielerinnen, und es ist ziemlich deutlich, daß der Roman mehr auf ihre Perspektive ausgerichtet sein muß als der Film. Der ist sich nicht ganz schlüssig, wen er nun im Vordergrund haben möchte, und so haben wir eine unbefriedigende Situation auf beiden Seiten. Hier eine Mutter, über die wir gar nicht unbedingt mehr wissen wollen, die uns aber als Hauptperson präsentiert wird. Dort zwei Kinder, über die wir sehr gern mehr erfahren würden, die aber leider zu sehr in den Hintergrund treten müssen. Abgesehen davon gibt es eine recht überzeugende Darstellung der marokkanischen "Szene" zu jener Zeit: Dropouts, Künstler, Bonvivants und reichlich obskure Gestalten bevölkern plötzlich die Basare und Städte. Die einen wollen Sufis werden und suchen nach der endgültigen Erleuchtung, die anderen freuen sich schon über einen besonders delikaten Feinschnitt oder ein schmackhaftes Pfeifchen. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie sind Europäer und werden es auch bleiben. Die arabische Mentalität und die Lebens- und Denkweise der Menschen werden nur oberflächlich absorbiert, gerade weil es die letzte Mode ist und man sich irgendwie tiefgründig dabei vorkommt. Der Film ist voll solcher Randbetrachtungen, die gar nicht groß in den Vordergrund treten, aber dennoch scharf beobachtet sind. Deswegen und wegen der bereits erwähnten Vorzüge ist er also durchaus interessant und recht sehenswert, auch wenn aus diesem prima Stoff noch einiges mehr hätte gemacht werden können. (25.5.)