"Propaganda" (#) von Sinan Cetin. Türkei, 1999. Metin Akpinar, Kemal Sunal, Meltem Cumbul, Rafet El Roman, Ali Sunal
Mehdi kommt aus dem fernen Ankara nach Hause in den Osten nach Hislihisar knapp vor Syrien. Er trägt eine Uniform, einen stolzen Gesichtsausdruck und führt fast zweitausend Rollen Stacheldraht mit sich. Es werden viele Holzpflöcke ins staubige Bauernland gerammt, es wird viel Stacheldraht verlegt, es werden ein paar türkische Flaggen gehißt, und plötzlich ist da mitten im kleinen Dorf eine Grenze. Das hat Mehdi zwar nicht kommen sehen, auch nicht, daß Lehrerin, Hure, Arzt, Bäcker und ganze Familien und Liebende voneinander abgeschnitten sind, doch was ein stolzer, pflichtbewußter Beamter mit ein paar bewaffneten Schergen zur Seite ist, der wird seinen Auftrag solange verteidigen, bis ihm selbst das Wasser zum Hals reicht. Erst dann, als Schüsse gefallen sind und eine Familienkatastrophe kurz bevorsteht, besinnt sich Mehdi auf seine Identität als Mensch und läßt den Schlagbaum über den Haufen fahren.
Eine spöttische Politsatire mit streckenweise genial diebischem Humor, die natürlich nicht nur auf türkische Verhältnisse abzielt, und nicht nur türkische Melodramen parodiert, sondern darüber hinaus gegen jegliche Form idiotischen Beamtentums, schwachsinnigen Patriotismus' und braven Kadavergehorsams zu Felde zieht. Mehdis Aktion ist ein Musterbeispiel sinnloser Willkür, fern ab in der Hauptstadt ersonnen als Zeugnis neu erwachten Nationalstolzes, aber vor Ort destruktiv und absurd, denn die Grenze trennt, was jahrhundertelang zusammengehörte, zerstört gewachsene Strukturen, steht als surreales Bauwerk in der Landschaft und ist zu nichts gut, außer dazu, ein paar geltungswütige Uniformträger zu befriedigen. Der Film verwendet durchaus melodramatische Elemente, um die menschliche Dimension dieser Unsinnsentscheidung aufzuzeigen, aber mir sind natürlich die satirischen, höhnischen Witze lieber, die selbst die Einheimischen über Mehdi und seine Untertanen ausgießen. Man treibt seine Spielchen mit dem Zauberwort "Passport", übt sich genüßlich im kleinen Grenzverkehr und führt die Dummheit und Verbohrtheit der Autoritätsvertreter ein ums andere Mal vor. Also eine Politparabel im besten Sinn: Emotional packend, filmisch etwas überdreht (und das bewußt), deutlich in der Aussage und brillant im Witz. (20.10.)