"Fucking Amål" (Raus aus Amål) von Lucas Moodysson. Schweden, 1999. Alexandra Dahlström, Rebecca Liljeberg, Erica Carlsson, Mathias Rust, Stefan Hörberg
"Fucking Amål" ist zugleich beglückend und traurig. Beglückend, weil es ein so schöner Film ist, traurig, weil er uns an einen ständigen Mißstand erinnert, nämlich den, daß Filme aus Skandinavien hierzulande noch exotischer sind als seetaugliche Supertanker aus Malta oder Liberia. Wenn sich ein paar Herren aus Dänemark nicht das Dogma 95 aus den Rippchen geschnitten hätten, wäre nämlich ein weiteres Jahr ohne ein einziges kulturelles Signal aus dem Norden vergangen. Mit Ausnahme dieses Films natürlich.
Elin und Agnes teilen das trübe Schicksal in Amål leben zu müssen, einem Kaff irgendwo am Vänersee knapp in der Nähe von Karlstad (als wenn das eine Beruhigung wäre). Elin knutscht wöchentlich mit drei verschiedenen Jungs, hat aber noch mit keinem geschlafen, anders als ihre ältere Schwester, mit der sie regelmäßig auf Beutezug geht. Agnes ist jetzt gerade sechzehn geworden, lebt mit ihren Eltern erst seit zwei Jahren hier und hat überhaupt keinen Anschluß gefunden. Außerdem liebt sie Mädchen und ist mit dieser Liebe und ihrem aufgewühlten Seelenleben sehr allein. Die beiden wollen raus aus Amål, und Agnes liebt Elin, aber es dauert eine Zeit, bis Elin kapiert, daß auch sie Agnes liebt und vor allem in aller Öffentlichkeit dazu stehen kann.
Ein Jugendfilm nach schwedischer Art: Knapp, unverblümt, sehr gefühlvoll, witzig und einfühlsam zugleich. Die Ästhetik erinnert ein wenig an die Dogma-Filme, die Darsteller sind brillant und die Schilderungen des alltäglichen Lebens pubertierender Teenies im Niemandsland treffen die Dinge auf den Kopf. Zwischen Elternhaus, Schule, dem nachmittäglichen Rumhängen irgendwo in der Gegend und den abendlichen Feten versuchen sich die Leute einzurichten, versuchen Bräute oder Kerle abzuschleppen, tun sich dicke, flirten, schmusen, trinken reichlich und suchen sich mit System ein paar Außenseiter, auf die sich allerlei abladen läßt. Agnes hält nicht mit der Mode mit, reißt nicht gern das Maul auf und hat zwei Eltern, die so dermaßen behütend und fürsorglich und verständnisvoll sind, daß es schon fast zu viel ist. Sie weiß genau, daß ihr Comingout als Lesbe in dieser konservativen und vermufften Umgebung eine ziemliche Katastrophe wäre, und außerdem scheint Elin als umschwärmter Star der Clique völlig unerreichbar zu sein. Elin ihrerseits genießt ihre maßlose Freiheit (die alleinerziehende Mutter arbeitet nachts und hat auch sonst wenig Zeit für die Schwestern) auch nur äußerlich, denn eigentlich spürt sie manchmal auch die Leere und Ziellosigkeit ihres Tuns. Sie konsumiert eine Menge Jungs, aber es gibt ihr nichts, und auch das "Erste Mal" wird ihr Leben nicht verändern. Sie sucht nach einer tieferen, wahren Liebe und sie findet sie bei Agnes. Der Film ist in jeder Hinsicht enorm sehenswert und in sehr vielen Augenblicken (vor allem den Szenen mit den Eltern) äußerst realistisch. Er fesselt, macht Spaß, berührt und weckt viele Erinnerungen, je nachdem, auf welcher Seite man als Zuschauer steht. So sollte Kino sein. Und warum, Scheiße nochmal, wird uns das dauernd vorenthalten? (27.12.)