"Shall we dance?" (#) von Masayuki Suo. Japan, 1996. Koji Yakusho, Tamiyo Jusakari, Naoto Takenaka, Erico Watanabe, Ekira Emoto

Die Japaner, so erfahren wir gleich zu Beginn, mögen den Tanz nicht besonders. Überhaupt gilt es als verpönt, auch zwischen Mann und Weib, in der Öffentlichkeit deutliche Zuneigungsbekundungen auszutauschen, von den Möglichkeiten des Tanzes ganz zu schweigen. Es folgen dann zwei Stunden, die uns allerdings genau vom Gegenteil überzeugen: Ein unscheinbarer Büromensch, verheiratet, ein Kind, gerade mühsamer Besitzer eines Eigenheims und auch sonst ein korrekter, braver, strebsamer Typ, der jeden Abend pünktlich an den heimischen Herd geflogen kommt, dieser Büromensch also entdeckt eines Tages die Lust am Tanzen. Eigentlich verliebt er sich in eine schöne, sehr melancholische Tanzlehrerin und möchte lediglich ein paar Privatstunden bei ihr nehmen, doch unversehens wird er den Strudel der Begeisterung hineingezogen, muß sich von der mißtrauischen Ehefrau per Privatdetektiv beschatten lassen, erlebt Höhen und Tiefen ungekannter Art und merkt endlich, daß er überhaupt lebt.

 

Ein ganz besonders schöner Film, der seine Schönheit aus der Wärme und Zärtlichkeit bezieht, mit der er seine Figuren anschaut. Der japanische Film der letzten paar Jahre liefert uns normalerweise groteske, verzerrte, schrille, finster-brutale oder sonstwie überzogene Abbilder dieses Landes - hier hat's endlich mal ein paar ganz normal verrückte Großstädter, die wie alle ihrer Gattung tagtäglich in der Großstadt ersaufen und sich ein paar Ticks und Macken zugelegt haben, um wenigstens ab und zu an die Oberfläche zu gelangen. Herr Sugiyama hat zunächst nichts davon, er ist so durchschnittlich und farblos wie sein gesamtes Leben. Erst indem er sich selbst, seine Schüchternheit, die anerzogenen Hemmungen überwindet und hingeht zur Tanzstunde, tritt er aus dem ermüdenden Kreislauf der Alltäglichkeit heraus und kommt in eine ganz neue Umlaufbahn. Seine Abenteuer und die seiner Mitstreiter bis hin zum großen Turnier sind so witzig, so unterhaltsam und sagen bei alledem auf eine ganz beiläufige und dezente Art doch sehr viel über Japan und die Japaner aus. Die Erzählweise ist bedächtig, ruhig, der Blick ist genau aber diskret. Niemand wird denunziert, auch der merkwürdigste Typ behält seine Würde. Erotik taucht unterschwellig auf, zeigt am ehesten im Tanz selbst, in den Bewegungen des Walzers, des Mambos, und doch ist das Miteinander der Leute voller Gefühl, welches in jeder feinen Nuance eingefangen wird, auch im Spiel der Darsteller. Wer lautstark Spektakuläres sucht, glitschige Teeniedramen mit vermeintlich skandalösen Tanzszenen oder ähnlichen Schrott, der möge zuhause bleiben, denn dies ist ein durch und durch feiner Film, der Grobheiten oder Plattheiten auf der ganzen Linie vermeidet, ein echter Triumph der Zwischentöne und ganz nebenbei auch noch wunderbare Unterhaltung. Sicherlich der sympathischste Film, den ich seit langem aus Japan gesehen habe. (18.5.)