"The Acid House" (#) von Paul McGuigan. England, 1998. Stephen McCole, Garry Sweeney, Jenny McGrindle, Kevin McKidd, Michelle Gomez, Ewen Bremner, Maurice Roeves, Martin Clunes, Jemma Redgrave

Drei Geschichten von Irvine "Trainspotting" Welsh, drei Verlierergeschichten aus einem finsteren schottischen Loserghetto, ein garstiger, schriller Anti-Sozialreport und zugleich natürlich dennoch ein Gesellschaftsfilm.

Boab hat's dick erwischt: An nur einem Tag fliegt er aus seinem Fußballteam, wird von seiner Freundin verlassen, von seinem Boß gekündigt und von seinen Eltern aus der Wohnung komplimentiert. Zu guter Letzt trifft er Gott in einer Kneipe und der verwandelt ihn aus lauter Abscheu über seine jämmerliche, mittelmäßige Existenz in eine Schmeißfliege. Immerhin kann Boab sich als Fliege beim Boß und der Ex rächen, doch Mom & Dad lassen sich nicht beim Sadomasospielchen stören, klatschen die Fliege um und Boab landet wieder als Mensch platt auf dem Teppich.

Johnny heiratet Catriona. Die ist schwanger und treibt's, wie man hört, mit einfach jedem. So auch kurz nach der Geburt des Kindes. Fröhlich bumst sie den Nachbarn, während Johnny sich um das Kind kümmert und einfach zu schwach ist, um der Braut Bescheid zu sagen. Stattdessen kriegt er furchtbar was aufs Maul, wird nach Strich und Faden erniedrigt, doch einige Zeit später, als er eigentlich schon von ihr los war, kommt wie wieder angeschissen, wieder schwanger, solo und pleite, und er läßt sich wieder rumkriegen.

Coco ist ein wilder Pöbler, der seinen Spaß will und sonst auf alles einen Scheiß gibt. Durch einen komischen Zufall gerät er während eines Gewitters in die Nähe von Jenny, die just im Krankenwagen entbindet. Der Blitz kracht runter, und aus Coco wird plötzlich ein Baby, während der kleine Fratz beunruhigend erwachsene Züge annimmt. Es dauert einige Zeit, bis die Seelenverwandlung wieder rückgängig gemacht werden kann.

 

Diese dritte Episode ist sehr nahe am Klamauk und auch sonst eher uninteressant. Die anderen beiden präsentieren uns ein pralles Kontingent britischer Unterschichtsstereotypen. Schlampen und Mistkerle, Säufer, Nutten, Schläger und einfach jede Menge fieser und mieser Typen häufen sich, und sie alle fallen über unsere kleinen großen Helden her, die brutal mit zuviel Schicksal konfrontiert werden und zu gut sind, um sich wehren zu können. McGuigan und Welsh meinen es natürlich auch nicht allzu ernst, wollen niemanden anklagen und nicht gerade vehement gegen die Verhältnisse protestieren, die in den öden Wohnvierteln herrschen. Jedenfalls nicht oberflächlich. Doch hinter all den wilden, obszönen, brutalen und provokanten Bildern steckt doch ein Gefühl und läßt sich wohl auch eine Absicht ausmachen. Insgesamt ist dieser Film nicht ganz so kalt und zynisch wie Danny Boyles "Trainspotting", weshalb er mir auch besser gefällt. Natürlich geht es verrückt zur Sache und natürlich wird es einige zartbesaitete aus dem Saal treiben und natürlich ist es zunächst einmal die Absicht, die Leute ruhig ein wenig aus der Reserve zu locken, aber es lassen sich durchaus genaue Milieustudien erkennen und man spürt darüber hinaus, daß Autor und Regisseur mit den geschlagenen Helden des tristen Alltags fühlen, bei allem Witz und Spott über ihre Mißgeschicke. Verglichen mit den eher ernsthaften und sichtbar engagierten Filmen von Leuten wie Loach oder Leigh wirkt "The Acid House" weniger seriös und geradlinig, weswegen man ihn aber keineswegs ignorieren oder nicht ernst nehmen sollte. (8.6.)