"The Loss of sexual Innocence" (#) von Mike Figgis. England, 1998. Julian Sands, Saffron Burrows, Stefano Dionisi, Jonathan Rhys Meyers

Nach Ende dieses Films mag der geneigte Konsument etwas irritiert hinaus in den ostwestfälischen Dauerregen treten und sich fragen, was bitteschön uns der Künstler denn diesmal sagen wollte. Oder er kann sagen, naja, waren ja schöne Bilder und schöne Menschen und schöne Musik und genug Sex, verstanden habe ich's nicht so genau, aber was soll's, für's Auge war es ganz nett und in der Hose hat sich auch was geregt. Manchmal ist es ganz praktisch, sich ungefähr zwischen diesen beiden Positionen einzurichten, wenn man nicht zu frustriert sein will, und ich persönlich habe mich beizeiten irgendwo dort eingefunden. Figgis präsentiert hochästhetische und kunstvoll gemalte Bruchstücke, Geschichtsfragmente, Jugendbilder, Träume, Assoziationen und Visionen, die zumindest zwei parallel laufende Handlungsteile erkennen lassen. Zum einen Adam und Eva in einem modernen Garten Eden, wo sie aus einem Tümpel steigen, ein wenig umeinander herumschleichen, um schließlich vom Baum der Erkenntnis zu naschen (und die Frucht anschließend zu erbrechen), es sich auf einem breiten Bett in einem leeren Haus bequem zu machen und zum Schluß von einem Haufen greller Paparazzi davongejagt zu werden. Der andere, längere Teil dreht sich um einen Filmemacher, Nic, der zu einem Dreh in die Wüste fährt, dort allerlei Beunruhigendes erlebt, zuvor mit Frau und Kind gezeigt wird und anhand verschiedener Kindheits- und Jugendszenen noch eingehender vorgestellt wird. Worum genau es Figgis dabei geht, ist mir ein wenig verborgen geblieben. Vielleicht wollte er eine möglichst literarische Form des Films finden (was ihm zweifellos gut gelungen ist), vielleicht wollte er ein möglichst komplexes Psychogramm erstellen (was ihm etwas weniger gut gelungen ist), oder vielleicht wollte er auf die geheimnisvollen und unerklärlichen Irrwege zwischen Männern und Frauen hinaus (was ihm wieder besser gelungen ist, aber uns Zuschauern leider wirklich unerklärlich bleibt). Es wird ein Zwillingspaar aus Italien vorgestellt, das die Wege Nics kreuzt, seine ersten erotischen Erfahrungen werden ausgebreitet, eine Kindheitsepisode aus Kenia steht am Anfang, und zum Schluß kann er in der Wüste den Tod einer Frau nicht verhindern. Dies alles wird in vielfach gebrochener Chronologie in delikaten Farben mit nervösen Schnitten und Kamerabewegungen zu romantischer Klaviermusik oder den wie üblich von Figgis selbst komponierten Jazzanklängen dargeboten. Wer es also immer hübsch übersichtlich und klar interpretierbar liebt, der sollte den Film tunlichst meiden. Wer hingegen nicht immer alle Fragen beantwortet haben muß und auch mal ein rein optisches und akustisches Erlebnis sucht, könnte es mal damit versuchen. Egal wie, ein außergewöhnlicher Film ist Figgis allemal gelungen, und wenn er auch dann und wann in Hollywood arbeitet, so ist er doch auf jeden Fall ein eigenwilliger Außenseiter geblieben. Und das kann man wahrlich nicht von allen Briten behaupten, die diesen dornigen Weg gegangen sind. (16.7.)