"The Theory of Flight" (Vom Fliegen und anderen Träumen) von Paul Greengrass. England, 1998. Helena Bonham-Carter, Kenneth Branagh, Gemma Jones, Sue Jones Davies

Richard träumt vom Fliegen: Nachdem er sein bisheriges Leben einigermaßen verpfuscht hat, will er irgendwo auf dem Land von vorn anfangen, mietet eine große Scheune und bastelt an einem Fluggerät herum. Da aber seine Pfuscherei nicht ohne juristische Folgen blieb, muß er einige Stunden Sozialdienst ableisten. ihm wird Jane zugeteilt, fünfundzwanzig, fast komplett gelähmt und mit baldiger Sprachlosigkeit und ebenso baldigem Tod vor Augen. Jane träumt auch, aber nicht vom Fliegen sondern von anderen Höhenflügen. Sie will vor ihrem Tod endlich entjungfert werden. Ein Ausflug nach London, der zur Behebung des Mißstandes beitragen soll, endet in grotesken Unglücksfällen. Also muß Richard, wie er sowieso schon befürchtet hatte, letztlich selbst herhalten.

 

Eine anrührende, gefühlvolle Geschichte zweier Außenseiter, die sich nach anfänglichen Dissonanzen schließlich doch erwartungsgemäß zusammenraufen. Nichts in diesem Film ist wirklich überraschend und neu, doch das Bewährte wird mit viel Liebe zum Detail und mit angenehm dezenter Komik vorgebracht, und außerdem haben zwei fabelhafte Schauspieler endlich mal die Gelegenheit, ihre Qualitäten zu zeigen, ohne in Versen sprechen und ohne viktorianische Gewänder spazierenführen zu müssen. Keine großen Heldenmonologe, keine tragische Spreizung und siehe da: Wir haben ein Paar von tatsächlich magnetischer Anziehungskraft, ein Paar, dem man fasziniert und bewegt zuschaut, das den ganzen Film leicht und locker allein gestaltet, weil drumherum nichts ist, und auch gar nicht sein muß in diesem Fall. Branagh ist der spinnerte und verantwortungslose Maler, der mit seinem Leben nichts anfangen will, und Bonham Carter die sperrige, bissige Kranke, die mit ihrem Leben nichts mehr anfangen kann und es nicht begreift, daß da jemand seine ganzen, aus ihrer Sicht überreichen Möglichkeiten einfach so aus dem Fenster wirft. Er versucht vor Gefühlen zu fliehen, doch sie bringt ihn natürlich doch dorthin zurück, und so errichtet er ihr am Schluß eine angemessen schöne Grabstätte auf dem Hügel ihrer gemeinsamen Flugversuche. Der melancholische Schluß eines Films, der die Balance zwischen den Extremen gut hält und der vor allem gut unterhält, auch wenn er an sich nichts Neues zu sagen hat. (23.5.)