"American Beauty" (#) von Sam Mendes. USA, 1999. Kevin Spacey, Anette Bening, Thora Birch, Wes Bentley, Mena Suvari, Chris Cooper, Peter Gallagher
Im Oscarfilm dieser Saison wird mal wieder der amerikanische Traum in der Vorstadtvariante zur Brust genommen und zwar so gründlich, daß tatsächlich kein Auge trocken bleibt. Präsentiert werden eine Handvoll Durchschnittsamerikaner aus einer jener uniformen, planierten Wohnsiedlungen, wie sie sich offensichtlich um jede größere Stadt scharen und an schmucker Gesichtslosigkeit und adrett gepflegter Ödnis nicht überbietbar sind. Im Mittelpunkt steht ein Durchschnittsehepaar: Er, ein Büromensch, Hobbymasturbator und Gegenstand feuchter Träume über knackige junge Mädchen. Sie, zackig und zickig aufpolierte Mittvierzigerin, strengt sich mächtig im Beruf an und versucht, immer lächelnd und optimistisch auszusehen. Die Tochter, Schülerin, pubertierend und im gnadenlosen Dauerclinch mit den nervigen Eltern. Drum herum die Nachbarn und sonstiges: Die Schulkameradin, so hübsch wie blöd, die Pappis Libido in Wallung bringt, mit ihren Bettgeschichten protzt, um dann im Ernstfall die schüchterne Jungfrau zu markieren. Der Berufskollege und Konkurrent der Mama, ein archetypischer Verfechter amerikanischer Erfolgsideale (you can make it if you really try), der sich so lange umschmeicheln läßt, bis er eine kleine Affäre mit Mutti anfängt, ohne dabei seine grundsätzlich herablassende Einstellung zu opfern. Das ständig joggende, schwule Nachbarspärchen, das tatsächlich den Mut aufbringt, diese Neigung offen zu bekennen. Der neue Nachbar, ein Marineveteran, verklemmt, brutal, neurotisch, der zu seiner Homosexualität eben nicht steht, seinen Sohn mit Bluttests drangsaliert und am Schluß aus lauter aufgestauter Wut zur Waffe greift. Schließlich noch sein Sohn, gefühlskalt, voyeuristisch, der die Welt mit den Augen eines frigiden neugierigen Kindes sieht, vor nichts Angst hat und sich mit System zukifft. Der Film tut nun nicht mehr, als diese einmalige Sammlung derangierter Gestalten aufeinander loszulassen und abzuwarten, was geschieht. Seine Schwäche, um das mal gleich zu erwähnen, liegt dabei deutlich auf der Handlungsebene. Hier tut sich wenig, oder wenn, ist es dramaturgisch nicht sehr geschickt geordnet, sodaß sich einige Längen einschleichen. Manche Entwicklung kommt dabei zu kurz, andere wiederum interessieren uns nicht sonderlich, und der Kontrast zwischen brillanten und eher spannungs- und bedeutungslosen Szenen ist auffällig. Die Stärken finden sich hauptsächlich in der atmosphärischen und psychologischen Darstellung dieser Gesellschaft, die teilweise wirklich sehr subtil und effektvoll durchleuchtet und in ihrer gräßlichen Grausamkeit entlarvt wird. Es geht um Lüge, zerstörte Träume, erkaltete Gefühle, unterdrückte Gefühle, pervertierte Gefühle, brutalen Erfolgsdruck, Einsamkeit, Frustration, Sex in allen Ausprägungen des Mangels, latente Gewalt, soziale Kontrolle und Gruppenzwänge. Der Ton ist mal wüst satirisch, grob karikierend, finster schwarz und dann aber auch komplex, sehr präzise und beängstigend nahe an der Realität und im Dialog großartig. Hinzu kommt natürlich ein adäquates Schauspielerensemble, angeführt von Bening und Spacey, die grandios aufspielen und allein schon das Kommen belohnen. Sie rutscht immer mehr an den Rand des Nervenzusammenbruchs und versucht mit letzter Kraft, angesichts all der Niederlagen und des Scheiterns um sie herum die totale Hysterie zu vermeiden. Er erkennt als einziger die Leere und Kälte dieses Lebens, lehnt sich mit zynischem Hohn gegen sie auf, schmeißt den Job, kifft mit dem Nachbarssohn und setzt alles daran, die Freundin der Tochter rumzukriegen. Sein physischer, gewaltsamer Tod am Ende ist eigentlich unnötig, denn seelisch tot sind diese Leute alle längst. Man kann eigentlich nicht sagen, daß in diesem Film sehr viel Neues zu sehen ist, denn in der einen oder anderen Form hat man Ähnliches hier und da bereits gesehen, doch höchst selten wohl in dieser Konzentration, mit derartig bissigem, entschlossenem Witz und dieser satirischen Energie. Wenn die Amis von amerikanischen Traum anfangen, werden sie zumeist eher pathetisch und klagend, und wenigstens das wird hier erfolgreich vermieden. Kein perfekter Film, wie ich finde, aber einer, der selten ist in Hollywoods Repertoire. (27.3.)