„American Psycho“ (#) von Mary Harron. USA, 1999. Christian Bale, Willem Dafoe, Jared Leto, Reese Witherspoon, Samantha Mathis, Josh Lucas, Chloe Sevigny
Zunächst einmal: Respekt! Respekt vor Mary Harron, die zusammen mit ihrer Drehbuchautorin das sehr seltene Kunststück geschafft hat, aus einem durch und durch unsympathischen, unerträglich eitlen und über lange Passagen schier unlesbaren Roman einen intelligenten, brillant gestalteten und konzipierten Film gemacht zu haben. Bret Easton Ellis‘ gewaltpornografische Fantasie gefällt sich in provokativer Pose und gewagter Zweideutigkeit und strapaziert dabei viel eher die Magennerven des geschockten Lesers als seine grauen Zellen. Provokativ ist dabei nicht der Gehalt der Geschichte, sondern das vorsätzliche und mit offensichtlichem Vergnügen zelebrierte Auswalzen von sadistischsten Folterungen und Morden, die sich wirklich kaum ertragen lassen. Mary Harron hat all dies nicht interessiert. Ihr Film ist eine hochkonzentrierte, intensive, kühl durchdachte und genial umgesetzte Satire auf die New Yorker Yuppieszene der späten Reaganjahre. Protagonist Bateman führt ein fürchterliches Doppelleben: Glatter, forscher Broker am Tag, triebgesteuerter, blutgieriger Mörder bei Nacht. Es fängt an mit einem Konkurrenten, geht weiter mit Callgirls, Huren und gerät letztlich so vollkommen außer Kontrolle, daß Bateman Realität und Wahn nicht mehr trennen kann, sich und seine Identität in diesem Rausch verliert. Die Blutorgien des Romans werden eher in ihrer Entstehung bzw. anhand ihrer Resultate ins Bild gerückt oder, sehr geschickt, durch Zeichnungen in Batemans Terminkalender visualisiert. Besonders dieser letzte kühne und verblüffend einfache Trick zeigt, mit welch überlegener Distanz Mary Harron den Themen des Buches entgegentritt, eine Distanz, die Ellis eben nicht immer hat, weil er ständig mit Identifikationen herumspielt. Harron inszeniert die Menschen in ihrer Umgebung und gelangt dabei zu atemberaubenden, fantastisch ausdrucksstarken Bildern, sei es der New Yorker Architektur, sei es den durchgestylten Innenräumen, sei es der großräumigen und doch furchtbar austauschbaren Gesichtern der Jungunternehmer, die im Grunde alle gleich aussehen, langweilig, leer, glatt, die von einer alles auffressenden Konkurrenz, einem alles überlagernden Geltungsdrang besessen sind, die ihre neuesten Visitenkarten vergleichen, mit sexuellen Eroberungen protzen, Bonmots durch die Gegend schmeißen. Egozentriker, Poseure, eiskalte Machos, Rassisten, die Körperkult betreiben, die Sonnenbräune des anderen loben, ihn aber in Wahrheit genau dafür hassen. Bateman treibt die Eigenliebe auf groteske Spitzen, und Harron läßt es sich nicht nehmen, das morgendliche Toilettenritual in aller Genüßlichkeit und Ausführlichkeit vorzustellen, atemberaubend bösartig und komisch zugleich, lachhaft, beängstigend und haarscharf an der Realität. Wenn er dann seine Opfer in der Falle hat, diverse Mordinstrumente taxiert und auswählt und sich an seiner Macht förmlich berauscht, hält er ausschweifende Vorträge über Musik, steckt seinen Horizont ab zwischen Phil Collins, Huey Lewis und Whitney Houston, biederstes, flachstes Mittelmaß also, ein weiterer bissiger Seitenhieb auf die Banalität des Bösen. Wann immer er über Gefühle spricht, wird er zur Parodie, Menschen, denen er sich überlegen wähnt (Frauen schon mal per se), begegnet er mit bodenloser, perfider Arroganz, solchen wiederum, denen er sich nicht ganz gewachsen fühlt, kann er nur seine kaum unterdrückte, wahnwitzige Aggressivität entgegensetzen. Dies ist eine durch und durch eindrucksvolle Charakterstudie, von Christian Bale kongenial interpretiert. Aber dennoch ist dieser Bateman Teil eines Ganzen, ist er das Produkt der Gesellschaft, die Monstren wie ihn hervorbringt und durch sie neu gespeist wird: Es zählt die Oberfläche, die Rhetorik, der schnelle Erfolg, das schickste Auto, der schnelle Fick, die geglückte Tischreservierung im angesagtesten Lokal, die hipste Disko, das beste Koks, der tollste Geschäftsabschluß, die coolste Lebensphilosophie. Aber selbst da – in der Disko, unter Koks oder im Bett irgendeiner Frau, hat man keinen Spaß, wirkt alles entsetzlich hohl, mechanisch, freudlos. Bateman und seine Mityuppies (weil von Freundschaften kann man unmöglich dabei sprechen) sind Roboter, kalt und tot, in einer Gesellschaft, die zwangsläufig entweder in gähnender Leere verendet oder in wilden Spiralen rotiert, bis es schließlich zum Knall kommt, so wie bei Bateman. Der Film weicht keine Sekunde von seiner Linie ab, verliert seine Intensität zu keinem Moment und zeugt von einer besonderen künstlerischen Geschlossenheit: Musikalisch, optisch, darstellerisch und konzeptionell. Solch großartige Leistungen hat es wahrlich nicht viele in Hollywood, und unter denen ist dies sicherlich eine der ganz herausragenden der vergangenen Jahre. Das einzig Ärgerliche daran ist eigentlich, daß so ein Scheißroman wie der von Ellis durch so einen guten Film völlig unverdient geadelt wird. (27.9.)