„Beautiful people“ (#) von Jasmin Dizdar. England, 1999. Charlotte Coleman, Charles Kay, Rosalind Ayres, Roger Sloman, Heather Tobias, Danny Nussbaum
Ein Gruppenbild mit Engländern und Ex-Jugoslawen, die sich im Laufe der Zeit munter miteinander verquicken: Ein Serbe und ein Kroate rennen prügelnd durch London, landen im Krankenhaus und werden dort ihren Streit, der zugleich der furchtbare Streit ihrer beider Völker ist, in Gegenwart eines amüsierten Walisers und einer gestrengen Nurse fortsetzen. Ein Ehepaar hat Krach, weil er als Berichterstatter nach Bosnien geht und sie sein falsches Heldentum beklagt. Ein anderes Ehepaar hat Krach, weil der Sohn ein Versager und Junkie ist. Ein drittes Ehepaar hat auch Krach, woraufhin die Frau des Hauses auszieht. Und dann gibt es da noch einen Bosnier, der sich in eine angehende Ärztin verliebt, die wiederum Sprößling einer ziemlich versnobten und klassenbewußten Familie ist. Nun kommt Bewegung in die Sache: Der Junkie- und Versagersohn landet auf irrwitzigem Umweg auch in Bosnien, wo er die Hölle erlebt und sich plötzlich doch engagiert, einen Lebenssinn findet. Den verliert der Berichterstatter am gleichen Ort und kehrt dem Wahnsinn gefährlich nahe nach Hause zurück, wo er durch einen Hypnotiseur zurück ins Gleis gerückt wird. Das getrennte Ehepaar rangelt um die zwei Söhne, was vor allem dem Vater stark zusetzt. Er nimmt ein bosnisches Ehepaar auf, das gerade ein Kind bekommt, dieses aber töten will, weil es die Frucht einer Massenvergewaltigung durch serbische Soldaten ist. Der plötzlich allein gelassene Ex-Mann und Ex-Vater kann ihnen aber ein neues Zuhause und neue Hoffnung bieten. Der Ex-Versager wird zu einem richtig vollwertigen Mitglied der britischen Gesellschaft. Da geht es ihm wie dem Bosnier, der die Tochter aus gutem Hause ehelicht und in selbigem mit halbwegs offenen Armen und steifer Oberlippe aufgenommen wird. Der Ex-Berichterstatter macht mit Frau und Tochter erstmal so richtig schön Urlaub. Und die Ex-Streithähne im Hospital dreschen eine nette Runde Karten.
Wer nun annimmt, daß dies ein neuer Walt-Disney-Film ist, liegt komplett daneben, denn dies ist ganz im Gegenteil ein ganz hervorragender, sehr bewegender, menschlicher und gefühlvoller Film zwischen Immigranten und Einheimischen und darüber, wie sich Schicksale vermischen können und sich die Menschen deshalb plötzlich ändern. Das Tragische und Komische, das Grausame und Leichte, das Groteske und Zärtliche gehen bruchlos ineinander über, und sowas nennt man allgemein wohl ein Wechselbad der Gefühle. Das trifft es auch ziemlich genau, denn auf allen Ebenen überzeugt dieser Film vollkommen. Er flicht den Balkankrieg mit all dem unsäglichen Horror souverän ein, zeigt, wie die Menschen diesen Konflikt mit in ein anderes Land exportieren, zeigt, wie sich andere wiederum lösen wollen von dieser belastenden Vergangenheit, zeigt aber darüber hinaus auch ganz andere, einfache, universelle Dinger wie Ehestreits, Zank um Kinder, Rassismus (mal physisch, mal hinter frommen Reden verborgen), Verliebtsein und die ewige Angst vor der Ausländerbehörde und der damit drohenden Ausweisung. In jeder Sekunde fesselt der Film, mal mit munterem Witz, mal mit tief bitterem Ernst, besticht durch Musikalität und darstellerisches Temperament und verknüpft die einzelnen Schicksale und Geschichten unverkrampft und wie selbstverständlich. Ein typische britischer Milieufilm, dann wieder eine Immigrantengeschichte, dann ein Film vom Krieg, dann ein Liebesfilm, dann ein Familienfilm und am Ende wieder ein typisch britischer Gesellschaftsfilm. Alls in einem und alles so, daß es nie zuviel wird. Toll. (28.11.)