"Jīngkē cì qínwáng“ (Der Kaiser und sein Attentäter) von Chen Kaige. China, 1998. Gong Li, Zhang Fengyi, Li Xuejian, Gu Yongfei, Wang Zhiwen, Lü Xiaohe, Sun Zhou, Chen Kaige

China vor über zweitausend Jahren: Das Land ist zerspalten in sieben Königreiche. Ying Zhen, der König der Qin, sieht sich berufen, alle Königreiche zu einem einzigen großen Reich zu vereinen und macht sich nun mit allen Mitteln daran, diese seine Berufung in die Tat umzusetzen. Ein grausamer Feldzug beginnt, begleitet von zahlreichen privaten Intrigen und Schicksalsschlägen, doch am Ende erreicht der Mann sein Ziel, beginnt mit dem Bau der chinesischen Mauer und geht überdies als erster Kaiser von China in die Weltgeschichte ein.

Ein Historienepos in fünf Kapiteln und zweidreiviertel Stunden, das uns naturgemäß bis zuletzt verhältnismäßig fern bleibt, denn erstens ist China an sich schon fremd genug und zweitens hilft es wenig, wenn die ganze Geschichte in der Zeit vor Christi Geburt angesiedelt ist. Namen, Gesichter und Gebräuche stammen aus einer vollkommen anderen Welt, aber Chen Kaige ist natürlich Künstler genug, um uns dennoch ein opulentes, im buchstäblichen Sinn vollblutiges Tableau aufzutischen, das uns zumindest nicht langweilt. Vieles darin erinnert an die großen Kurosawafilme, beispielsweise die Reflektionen über Macht, Gewalt, Recht, Unrecht, Verrat, Treue und vor allem darüber, daß Blutvergießen und Krieg viel von dem versenken, was sie sie eigentlich erreichen sollten. So auch hier: Ying Zhen verfolgt eigentlich kein unehrenhaftes Anliegen: Die Einigung eines zersplitterten Landes und damit das Ende der ewigen kleinen Macht- und Territorialkriege. Doch was tut er? Er läßt Dörfer niederbrennen, Frauen und Kinder niedermetzeln, Gefangene brandmarken, foltern, hinrichten undsoweiter. In seiner Besessenheit, seiner Fixierung auf seine große Vision, verliert er rasch jegliches Maß für Menschlichkeit und die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Seine Mutter hat Kinder mit einem anderen, seine Geliebte engagiert (vergeblich) einen Berufsmörder, um den wahnsinnigen Machtmenschen auszuschalten, doch nichts und niemand kann ihn stoppen.

 

Wenn ich sage, daß der Film an Kurosawa erinnert, spreche ich allerdings nur vom Inhalt, denn stilistisch werden die Unterschiede zwischen den beiden Regisseuren mehr als deutlich: Kurosawa, der faszinierend dynamische Erzähler, glänzt vor allem in den physischen Momenten, inszeniert mitreißend, athletisch, rhythmisch. Kaige, der bedächtige Epiker, wirkt bei den Kriegsszenen merkwürdig ungelenk, weshalb er sie meistens abrupt abkürzt, und erzielt die größte Wirkung vielmehr in den ruhigen, meditativen Momenten, in denen er die Kamera minutenlang in atemlosen Schweigen auf Gesichtern ruhen läßt, bis auch wir voll Spannung auf das warten, was nun folgen mag. Diese Intensität, gepaart mit der kunstvollen Ästhetik und der herausragenden Schauspielkunst, hilft dem Film über einige Längen hinweg und uns auch darüber, daß wir Kaige selbst bei alledem nicht recht zu orten vermögen: Wo steht er mit seinem Urteil - sieht er eher den gewissenlosen Gewaltherrscher, oder den großen Einiger Chinas? Schwer für uns, dies zu beurteilen, zumal, wie gesagt, die Ereignisse selbst uns denkbar fern sind. Kurosawa war in dieser Hinsicht immer deutlicher, aber so sind die Stile halt verschieden, und bei einem Film, der trotz allem beträchtliche Stärken hat, fällt es auch nicht weiter schwer, dies zu akzeptieren. (27.4.)