"The talented Mr. Ripley" (Der talentierte Mr. Ripley) von Anthony Minghella. England/USA, 1999. Matt Damon, Gwyneth Paltrow, Jude Law, Cate Blanchett
Patricia Highsmiths erster Tom-Ripley-Roman ist ein feines Meisterwerk von einem psychologischen Thriller, eigentlich die ideale Vorlage für einen Hitchcockfilm und davon abgesehen ein Buch, das mich über gut dreihundert Seiten in einen tiefen, faszinierenden Sog aus tiefster Unmoral, makaberen Humors und atemberaubender Spannung gezogen hat. Wer diesen Roman verfilmen will, braucht vor allem Zeit und Geduld, ins Detail zu gehen, denn im Detail liegt seine Stärke, in der genußvollen Schilderung subtiler Entwicklungen, in der teilnahmsvollen Verfolgung jedes einzigen Schritts, jeder Intrige, jeder Wendung, jeder Lüge des Helden. Wir werden zum Komplizen eines Mörders und wünschen um jeden Preis, daß er entkommen möge. René Clément nutzte die Vorlage vor gut vierzig Jahren zu einem seiner typisch effektvoll kalten Thriller, der aber die speziellen Qualitäten des Romans nicht genau einfing. Minghella kommt dem wesentlich näher, ich finde sogar, er wird ihnen auf fabelhafte Weise gerecht, nicht nur, weil er sich zweieinhalb Stunden Zeit läßt, um die Handlung angemessen zu entfalten, sondern auch, weil er atmosphärisch gesehen Außerordentliches vollbringt. Schon beim "Englischen Patienten" erwies er sich als begnadeter Ästhet, als unerhört stilsicherer und stilvoller Erzähler, dessen weicher, eleganter Rhythmus sich sicherlich eher für ruhigere Stoffe eignet, in passendem Rahmen aber enorm wirkungsvoll ist. Und so gelingt ihm hier schon eine großartige erste Stunde, in der ja gar nicht viel geschieht, außer daß Tom, Dickie und Marge das süße Leben an der italienischen Riviera der fünfziger Jahre auskosten, sich in der Sonne treiben lassen, Segeltrips unternehmen, oder abends Jazz hören. Wunderschöne, sonnenüberflutete Bilder, Atmosphäre pur, ein entspannter, gelassener Erzählstil, zu keiner Sekunde Leerlauf, sondern stets die bange Erwartung, daß bald irgendwas passiert. Wenn es dann losgeht, erhöht Minghella nicht mal unbedingt das Tempo, er verändert lediglich die Stimmung. Die Sonne weicht bleigrauem Himmel, die Musik färbt sich dunkel, Paltrows Makeup wird fahl, die heitere Unbeschwertheit ist urplötzlich dahin. Ab jetzt entfaltet sich der fatale, unausweichliche Mechanismus, den Tom zur Hälfte selbst antreibt, dem er aber ebenso sehr ausgeliefert ist, dem er sich nicht mehr entziehen kann. Nach San Remo, Rom, Venedig treibt es ihn (all diese Schauplätze werden von John Seales bewußt altmodisch eingesetzter Kamera wunderschön eingefangen), ständig jongliert er mit verschiedenen Identitäten, Ausreden, mal intrigiert er mit teuflischem Geschick, mal hat er einfach nur Riesenglück, daß er nochmal davonkommt. Hin und her gehen die Schicksalswendungen und unsere Emotionen, und wie der Highsmith gelingt es auch Minghella und Matt Damon, daß wir trotz Ripleys völligem Mangel an Moral oder Gewissen zu ihm halten, ihm weiter Glück wünschen. Bis zum Schluß wird der Film immer dichter und spannender, lediglich die Episode auf der Fähre nach Griechenland, wo Ripley einen dritten Mord begeht, der, wenn ich mich recht entsinne, im Buch auch nicht vorkommt, läßt die Aufmerksamkeit etwas nach, aber so lang ist die Szene dann auch wieder nicht. Die etwas auffälligere Schwäche des Films liegt in der Besetzung der weiblichen Rollen. Die Jungs sind große Klasse, aber Gwyneth Paltrow läßt einmal mehr schauspielerische Tiefe vermissen, ist nur schön und glatt und würde perfekt in einen Glamourfilm der Fünfziger passen, während Cate Blanchett nach ihrer großen Rolle in "Elizabeth" irgendwie verkrampft und ungelenk wirkt, so auch hier. Schade eigentlich, denn sie ist zweifelsohne eine hervorragende Schauspielerin, nur vielleicht schwer zu besetzen. Dieses sind kleinere Mängel in Relation zum großen Ganzen, denn auf ganzer Linie betrachtet ist dieser Film brillant - er ist brillant inszeniert, er unterhält brillant, er setzt Literatur brillant um und er ist eine brillante Psychostudie. Was will man mehr? (20.2.)