"La fille sur le pont" (Die Frau auf der Brücke) von Patrice Leconte. Frankreich, 1999. Daniel Auteuil, Vanessa Paradis

Die Frau auf der Brücke heißt Adèle und ist im Begriff, ihrem Leben ein Ende zu setzen, weil sie eingesehen hat, daß es bislang lediglich eine Serie von Unglücksfällen, Ungeschicklichkeiten, Demütigungen und gescheiterten Männergeschichten war. Ein Mann holt sie aus der Seine, heißt Gabor, ist Messerwerfer beim Zirkus und sucht gern nach solchen Frauen, die sich bereitwillig in seine Hände geben, weil sie sowieso nichts mehr zu verlieren haben. Die beiden reisen ans Mittelmeer und haben dort zwischen Monte Carlo, San Remo und einem Kreuzfahrtschiff viel Erfolg, weil Adèle sehr schön ist und außerdem beim Spiel unverschämt viel Glück hat, weswegen sie einen Haufen Geld gewinnt. Aber dann verdreht ihr zum x-ten Mal ein windiger Kerl den Kopf, sie verläßt Gabor und dümpelt mit einem kaputten Boot in Richtung Griechenland, während er einsam und ein wenig verloren in der Türkei strandet. Dort aber treffen sie einander wieder, auf einer Brücke, und alles kan wieder von vorn losgehen.

 

Eine sehr merkwürdige Liebesgeschichte, die sich genau wie ein Märchen anhört, aber eigentlich gar nicht wie eines aussieht. Im Gegenteil hat Leconte in sprödem Schwarzweiß der Sache fast jegliche oberflächliche Romantik genommen, und es dazu noch gewagt, die Gesichter seiner beiden Schauspieler nicht glamourös und glatt, sondern furchig, verlebt und betroffen aussehen zu lassen. Der Anfangsmonolog Adèles macht uns klar, daß sie nicht gerade die Idealvorstellung einer typischen Heldin sein kann, und Gabors trauriger, starrer Blick und seine bissigen Witze entheben ihn des Verdachts, ein Latin Lover herkömmlicher Fasson sein zu wollen. Also was macht diesen Film dennoch so sehenswert? Zunächst mal ist Leconte seinem Ziel, luftige Leichtigkeit mit untergründigem Melodram und hintersinniger Erotik zu verkuppeln, noch näher gekommen, als in dem vortrefflichen "Das Parfum von Yvonne", seinem bis zuvor besten Film. Dann hat er zwei wunderbare Darsteller gefunden, die ihre ganz besondere Chemie vollendet zur Geltung kommen lassen (Auteuil ist darin ja ohnehin ein ausgesprochener Experte) und aus dem ganzen Film eine herrliche Zwei-Mann/Frau-Show machen. Und schließlich liegt gerade in der Sprunghaftigkeit, dem Unvorhersehbaren und dem etwas Sperrigen der Reiz der Sache, denn zwischen frechem Witz, fast unbeschwerten Albernheiten und plötzlichen Momenten tiefsinniger Schwere und Melancholie gibt es immer etwas Neues, Überraschendes, und ist dieser Film vor allem enorm kurzweilig. Und schließlich und endlich - denn es ist ja ein Film von Patrice Leconte - finden sich wunderschön delikate Erotikszenen, immer dann nämlich, wenn Gabor mit den Messerchen auf die schöne Adèle anlegt, die sich in erregter Vorfreude ans Holz schmiegt, auf die dumpfen Einschläge wartet, darauf, daß ein Messer (pardon: Phallus natürlich) sie vielleicht doch durchbohren könnte, und ihre Erregung mit jedem Wurf steigen läßt bis zum Höhepunkt. Wer denkt, daß das doof oder kitschig ist, sollte es sehen, denn es ist weder noch, sondern wirklich erotisch. Und auch mal was anderes, oder? Also: Stimulierendes, ganz auf mediterrane Art, prickelnd, duftig und ein wenig fremd. Nicht schlecht, nicht schlecht. (12.5.)