"Erin Brockovich" (#) von Steven Soderbergh. USA, 1999. Julia Roberts, Albert Finney, Aaron Eckhart, Peter Coyote

Eine wahre Geschichte: Miss Brockovich, mehrfach geschiedene Mutter dreier Kinder und ständig in Job- bzw. Geldnöten, verhilft ihrem neuen Arbeitgeber, dem Anwalt Masry, zum Fall seines Lebens, indem sie einen riesigen Umweltskandal, verursacht durch kriminellen Umgang mit hochgiftigem Chlor 6 in Anlagen der Pacific Gas & Electric aufdeckt und publik macht. Unermüdlich und unter zwischenzeitlicher Gefährdung ihres Privat- und Familienlebens mobilisiert sie die Betroffenen und überwindet auch die letzte Hürde, um eine angemessene Entschädigung für die vielen hundert Opfer herauszuklagen - mit Erfolg. Eine Karen Silkwood der Jahrtausendwende also, nur besser gestylt (natürlich!). Aber sonst ebenso unangepaßt, unbequem, frech, direkt, nur diese hier überlebt, während Karen sterben mußte, weshalb am Schluß auch nicht "Amazing Grace" gesungen wird, sondern "Every day is a winding road" von Sheryl Crow. So ändern sich die Zeiten.

 

Ganz abgesehen davon handelt es sich hier um ein vorzügliches und ebenso unangepaßtes Stück US-Kino, das umso erstaunlicher ist, als man ähnlich gelagerte Geschichten schon wer weiß wie platt und banal ausgewalzt gesehen hat. Tatsächlich aber schafft es Soderbergh fast wie durch ein Wunder, einen hochinteressanten und hochspannenden Film ohne eine einzige Action- oder Grusel- oder Gewaltszene hinzubekommen. Er erzählt seine Geschichte hochkonzentriert, reich detailliert und sehr geschickt pointiert, wechselt zwischen komödiantischen Einlagen und intensiven, sehr ernsten und ergreifenden Szenen, ohne jemals zum Holzhammer greifen zu müssen. Er kriegt sogar Julia Roberts halbwegs in den Griff, und das will schon was heißen. Ich sage halbwegs, weil er ihr den Luxus wohl doch nicht total versagen konnte - es fällt schon auf, daß diese Frau, die bestimmt nicht aus wohlhabenden Verhältnissen stammt, auf deren Fußmatte sich im Gegenteil bergeweise unbezahlte Rechnungen stapeln, und deren Kühlschrank einer leeren Wüste gleicht, in fast jeder einzelnen Szene andere Klamotten tragen darf und also über eine ansehnliche Garderobe verfügen muß. Ein extrem unglaubwürdiges und störendes Detail an einer Figur, die ansonsten auffällig auf unglamourös, schlicht und gewöhnlich getrimmt ist - eine Frau wie du und ich, die redet, we ihr der Schnabel gewachsen ist. Ihr unzähmbares Temperament, zu dem Roberts zugegebenermaßen ganz gut paßt, wird durch Finneys zurückhaltendes, glänzend nuanciertes Spiel hervorragend kontrastiert, sodaß die gemeinsamen Momente der beiden zu den witzigsten und schönsten zählen. Aber mir fiel der gesamte Film gar nicht so sehr als Soloshow der Darsteller auf, sondern eher als eine überaus geschlossene und überzeugende Gesamtleistung: Ed Lachmans Fotografie, die ausnahmsweise mal sehr hervorzuhebende Filmmusik von Thomas Newman (endlich mal ein Newman, der einen wirklich guten Soundtrack abliefert) und auch die Gestaltung der Schauplätze und Nebenfiguren, alles paßt zusammen und hat echte Klasse. Am meisten aber hat mich der Regisseur Soderbergh beeindruckt, der wirklich jeder Versuchung, seine Story hollywoodtechnisch aufzupeppen, zu glätten, sich anzubiedern, souverän widerstanden und konsequent seinen eigenen Film gemacht hat, so wie er ihn haben wollte. Wer sich so umschaut, auch unter den Leuten mit einem vermeintlich großen Namen, und sieht, welch ein Schrott da so tagtäglich zusammenproduziert wird, der wird anerkennen müssen, wie selten und beachtenswert das ist. Hut ab. (26.4.)