„Wo de fu qin mu qin“ (Heimweg) von Zhang Yimou. China, 1999. Zhang Ziyi, Sun Honglei, Zheng Hao, Zhao Yuelin

Ein Mann kommt aus der großen Stadt zurück ins Dorf seiner Eltern, abgeschieden inmitten einsamer Berglandschaft. Sein Vater, der vierzig Jahre lang Lehrer an der Dorfschule war, ist unerwartet gestorben, die Mutter paralysiert in Trauer, und nun besteht die hartleibige alte Dame darauf, daß der Sarg ihres Mannes nach altem Ritual den ganzen Weg aus der Stadt bis ins Dorf getragen werden soll. Zuerst sperren sich die Dorfältesten, doch schließlich finden sich viele ehemalige Schüler des Verstorbenen, die seinen Sarg würdevoll und ganz ohne Bezahlung durch den Schnee zur letzten Ruhestätte tragen.

 

Dies trägt sich ganz in strengem Schwarzweiß zu, zu Beginn und am Ende des Films. Eingebettet in diese einfache, stille Handlung ist die Liebesgeschichte der Eltern, oder besser die Geschichte, wie sie sich vor vierzig Jahren kennenlernten, wie der Vater als junger, frischgebackener Lehrer in das Dorf kam, die Mutter sofort ein Auge auf ihn warf und ihn fortan mit weiblicher Hartnäckigkeit und Ausdauer verfolgt, durch Wind und Wetter, Krankheit und andere Rückschläge, bis sie ihn schließlich fest im Sack hat. Und wenn diese Rückblende kommt, ist es, als öffne sich gleichsam unser eigener Blick, die Perspektive wird hell und weit, plötzlich kommt die Landschaft in ihrer ganzen Schönheit zur Geltung und vor allem kommen die Farben, oder es sind eigentlich nicht nur Farben, es ist ein einziger, wunderschöner, überwältigender Farbenrausch, den Zhang hier regelrecht zelebriert und mit dem er nahtlos an seine früheren Meisterwerke wie „Rotes Kornfeld“ oder „Judou“ anschließt. Diese reine Freude am Sinnlichen, an endlosen weichen Überblendungen, an leuchtendem Herbstlaub, an den bunten Jacken der Frauen, an dem schönen, strahlenden Gesicht der Hauptdarstellerin, deren Lächeln tatsächlich die Herzen aufgehen läßt, diese Freude zeigt jenen alten Zhang, der mit seinen Filmen die Leinwand sprengen kann, und dies noch immer vermag, auch wenn seither nicht all seine Filme diese ursprüngliche Kraft hatten und auch wenn gerade dieser Film ganz klar nicht sonderlich an irgendwelchen gesellschaftskritischen Aussagen interessiert ist. Zwar muß sich der Vater urplötzlich einem Untersuchungsausschuß in der Stadt stellen, weil er, wie die Dorfbewohner erzählen, dem sogenannten „rechten Flügel“ nahesteht, was immer das auch heißen soll, doch wird dies im weiteren nicht verfolgt, nicht erklärt und auch nicht kommentiert, es spielt einfach keine Rolle mehr. Auch die gelegentlichen Reflexionen des Sohnes über den Fortschritt, der nun auch das Dorf in vierzig Jahren ereilt hat, und die Erkenntnis, daß alle arbeitsfähigen Männer das Dorf in Richtung Stadt verlassen haben, weil es dort Perspektiven für sie gibt, bleiben für sich stehen, erfahren keine Wertung, können als reine Informationen genommen und verstanden werden, dienen gleichermaßen als Rückenpolster für die Geschichte und sorgen dafür, daß es auf keinen Fall oberflächlich oder stereotyp zugeht. Es geht um eine Liebesgeschichte, um eine vierzig Jahre lang währende, enge, treue Verbindung, um eine Tradition und darum, daß man sich auch heute noch, wenn man nur will, dieser Tradition besinnen kann und es mehr Leute gibt, die einem folgen, als man denkt. Es geht um Gefühle, anfangs schüchterne, kaum geäußerte (denn auch im China der späten Fünfziger war es noch nicht üblich, sich zu verlieben, und schon gar nicht, den Ehepartner selbst zu wählen), später dann intensiv aufflackernde, die sich über alle Hindernisse und Grenzen hinwegsetzen. Diese tiefen Gefühle werden filmisch wunderbar nachvollzogen von einer schwelgenden Kamera, ebensolcher Musik, und dadurch erfassen sie das Publikum mit voller Wucht, so daß der Taschentuchverbrauch zumindest beim weiblichen Teil nicht unbeträchtlich gewesen sein muß. Kurz und gut: Ein sehr sehr schöner Film. (25.10.)