„Jezus is een Palestijn“ (Jesus ist ein Palästinenser) von Lodewijk Crijns. Holland, 1998. Hans Teeuwen, Dijn Blom, Kim van Kooten
Alfred heißt jetzt Ramses und lebt in einer Sekte irgendwo in Limburg. Kein Sex, nur Piercing und die große Initiation steht noch bevor: Man bohrt ein Loch durchs Schienbein und läßt die Kräfte der Erleuchtung direkt ins Knochenmark einströmen! Kurz davor aber taucht Ramses‘ Schwester auf und lockt ihn nach Amsterdam unter dem Vorwand, daß ihr im Sterben liegender Vater ihn auch noch einmal sprechen möchte. Dies ist aber nur eine Notlüge, um an seine Unterschrift zur Abschaltung lebenserhaltender Geräte ranzukommen, denn der Vater hängt als lebendig verfaulendes Wrack nur noch an Schläuchen und Maschinen. Immerhin bringt Ramses den alten Herrn wieder zum Reden, und auch sonst geschieht allerhand in der großen Stadt, Weltliches und Geistiges, bis sich der gute Knabe am Schluß mit einem Loch im Schienbein in Limburg wiederfindet.
Von den Holländern ist man ja einiges an Merkwürdigkeiten gewohnt, aber irgendwie schaffen sie es doch immer wieder, selbst den abgehärteten Konsumenten aus der Reserve zu locken. Was hier in knapp neunzig Minuten aufgetischt wird, ist schon beachtlich: Zunächst mal eine witzige Verarschung von Sekten, ihren abstrusen Ritualen, ihren versteckten Diktaturen, schlichtweg ihrer Lächerlichkeit. Wenn es dann ab in die Stadt geht, verschwimmt die klare Linie so ein wenig, es kommt einfach zuviel zusammen: Plötzlich geht es um allerhand individuelle Probleme, es geht wieder um religiösen Wahn, um deren Kommerzialisierung, um die Ankunft des Messias im Jahre 2000, um Sterbehilfe und um einiges mehr. Mal trifft der bissige, stark makabre Humor, mal häufen sich die Konfliktfelder derart, daß es nicht mehr komisch, sondern nur noch trüb und finster ist. Das Gesellschaftsbild, welches hier verbreitet wird, kann man nicht gerade als besonders sonnig bezeichnen: Pseudogurus und ihre gehirnamputierten Jünger, Sterbekliniken, in denen Menschen zur Aufbewahrung an Maschinen hängen , Cliquen, in denen vor allem Egoismus und Hedonismus rücksichtslos zelebriert werden und dergleichen mehr. Dabei bleibt die Haltung des Regisseurs manchmal unangenehm vage: Ramses verurteilt zwar die Umgehensweise mit seinem Vater empört, greift aber seinerseits zu nicht gerade zimperlichen Mitteln in Sachen Sterbehilfe: Da kommen ihm schwere Gegenstände gerade recht. Auch die Schwester bleibt etwas unscharf: Mal ist die das selbstsüchtige, gefühllose Biest, mal hilft sie ihrer besten Freundin über dramatische Lebenskrisen hinweg. Ein Film also mit allerhand Ecken und Kanten, mal total komisch, mal eher auf den Magen drückend, und irgendwie von allem, nichts so richtig. Als Sehvergnügen im eigentlichen Sinne würde ich ihn nicht gerade bezeichnen, aber um wirklich zum Nachdenken anregen zu können, ist er unter dem Strich dann doch etwas zu abgedreht. (31.8.)