„Kanak Attack“ von Lars Becker. BRD, 1999. Luk Piyes, David Scheller, Tyron Ricketts, Özlem Cetin, Nadeshda Brennicke, Ercan Durmaz, Andreas Hoppe

Ertan erzählt seine Geschichte in dreizehn Kapiteln. Eine Geschichte zwischen Kiel und Istanbul, Drogenconnections, Bordellaufmische, kleineren und größeren Kriminaldelikten, Territorialkämpfen mit der Konkurrenz, Freundschaft, Verrat, Zusammenhalt und vor allem dem Selbstverständnis als Kanake in Deutschland. Ertan selbst, der die meisten wichtigen Dinge sagen darf, faßt die Quintessenz des Films in einem kurzen Monolog zusammen: Alles an uns ist Kanake, unsere Namen, unser Schweiß, unsere Sprache, unsere Autos, unsere Klamotten, unsere Goldkettchen, unser ganzes Leben. Der Knabe hat folglich mit seiner Identität wenig Probleme, weiß um seine kulturelle Zwitterexistenz und achtet hauptsächlich darauf,. Daß ihn nicht irgendein hergelaufener Blödmann ficken kann. Lieber fickt er die anderen, raubt Spielsäle aus, schiebt (und drückt) massig Heroin, kümmert sich um die feindlichen Gangs und um die eigene türkische Kommune. Am Schluß sind sein bester Freund und sein größter Feind tot, aber Freude will nicht mehr so recht aufkommen, zu tief schon sitzt Ertan drin in einem brutalen, aufzehrenden Leben, das auch er nicht mehr lange überleben würde.

 

Sein Erzählton prägt natürlich den ganzen Film. Locker, cool, voll mit Durchblick Mann undsoweiter. Lars Becker, der eigentlich eher durch seine unterkühlten, stilisierten Gangsterfilme von der Waterkant bekannt geworden ist, hat diesmal rasantes Tempo, viel Lautstärke und gelegentlich auch mal nachdenklich stimmende verknüpft in einem etwas atemlosen Film, der in nur gut achtzig Minuten sehr viel zu bieten hat. Vorbei sind aber die lakonischen, selbstverständlich an Melville erinnernden Geschichten wie „Schattenboxer“ oder „Bunte Hunde“, hier zeigt sich Becker ganz verliebt in den Hip Hop, seinen Rhythmus, sein Scratching, seine Posen, sein Image, seine Coolness und seine Rituale, und also wird die Story unentwegt gepusht von der Musik, von ihrem Fluß, der alles mitzieht und leider eben auch keine oder nur sehr wenig Zeit für die berühmten leiseren Töne übrig läßt. Becker inszeniert das Milieu gewohnt authentisch und nah, hat großartige Schauspieler an der Hand, die ihrerseits an Maximum an Authentizität garantieren und läßt sich Bilder locker flockig mitblubbern. Immerhin gibt es hier und da einen kleinen Ansatz, etwas mehr über diese Leute und ihr Leben zu sagen, zumal wie gesagt Ertan recht eloquent ist, doch verpufft auch so einiges in dem allgemeinen Tumult, wirken manche Szenen etwas flüchtig und oberflächlich. Also nicht unbedingt ein durch und durch gelungener Film, aber ein spannender, interessanter und auch mitreißender, auch für die, die dieser Szene ansonsten weniger nahe stehen. (22.11)