"Kleine Teun" (Little Tony) von Alex van Warmerdam. Holland, 1998. Annet Malherbe, Ariane Schluter, Alex van Warmerdam
Wenn man liest, holländischer Film, weiß man gleich, aha, jetzt wird's wieder skurril, grotesk, schrill, verschroben, sonderbar, spinnert. Seltsame Gestalten treiben seltsame Dinge in herb friesischer Landschaft zwischen Mühlen, Wiesen, Kanälen, Kühen und Schafen, und nur ganz wenig davon hat irgendwas mit der Welt ansonsten zu tun. Außer allerdings, man sieht all das als Allegorie oder sonstwas an und fängt an, fröhlich drauflos zu interpretieren. Damit wiederum würde man den Herren Filmemachern selbst wohl kaum einen Gefallen tun, denn so wie diese Filme ausschauen, stehen sie ganz für sich selbst, wollen weder erklärt noch analysiert werden, sondern höchstens daran erinnern, daß sich nicht alles auf diesem Erdboden dafür eignet, streng rationell und verstandesmäßig durchleuchtet zu werden. Kurz: Ein bisserl Anarchie muß sein, und dafür sind halt unsere Nachbarn im Westen zuständig.
Alex van Warmerdam hat als echt holländischer Filmemacher keinerlei Absichten, diese Regel außer Kraft zu setzen, sondern er fügt ihr Film für Film eine neuerliche Bestätigung hinzu: Erotisch-obsessive Mysterien zwischen Gier, Wahnsinn, Zärtlichkeit, Verlangen und fatalen Trieben. Oder so ähnlich. Drei Leute, zwei Frauen und ein Mann, ziehen draußen auf dem Land ein perfide, undurchschaubare, wankelmütige und zumindest psychisch ziemlich herbe Ménage à trois ab. Ein Ehepaar engagiert eine Hauslehrerin, weil sie, die füllige Gattin, keinen Bock mehr hat, ihrem leicht depperten Gemahl ständig die Untertitel im TV vorlesen zu müssen. Es kommt, wie's kommen muß, die Hauslehrerin ist nicht gerade unansehnlich, der Gatte fängt Feuer, sie auch, der Gatte und die Gattin hecken plötzlich ein gemeines Spiel aus, das aber nicht so läuft wie geplant, sondern ziemlich aus dem Ruder gerät und mit dem gewaltsamen Tod der Gattin und der Flucht der Lehrerin samt Kind endet, jenem Kind übrigens, um das sich das Spiel im wesentlichen drehte. Wie man leicht erraten kann, geht es um Sex, Machtspielchen, Demütigungen, Voyeurismus, die weibliche Variante von Intrigen und die männliche Art, darauf zu reagieren, nämlich letztlich stumpf und brutal, indem man der Gemahlin eine Axt im Rücken versenkt. Ständig verschieben sich die Machtkonstellationen, mal hat die eine Frau Oberhand, mal die andere, und der Schwanzträger laviert als hilflos hormongesteuertes Wesen zwischen den beiden zu allem entschlossenen Damen hin und her. Ganz wie im richtigen Leben also. Das ist grandios gespielt von den drei Akteuren, hat nach fulminantem Auftakt einen kleinen Durchhänger im Mittelteil und mündet in ein schön handfestes Finale, in dem dann die Maske der Zivilisation bröckeln darf. Entweder man mag sowas oder nicht. Wie gesagt: Skurrilität um ihrer selbst willen, mit viel tiefschwarzem Humor und sehr amüsiertem Interesse an menschlichen Abgründen. Manchmal wünsche ich mir, die Holländer würden auch mal was anderes machen, andererseits aber möchte man diese netten kleinen Filme auch nicht missen und läßt sich gern daran erinnern, daß auch noch Geschichten jenseits unseres Horizonts gibt, und daß die gerade in unscheinbarster, harmlosester Landschaft blühen und gedeihen. (4.2.)