"Manila" von Romuald Karmakar. BRD, 2000. Peter Rühring, Margit Carstensen, Martin Semmelrogge, Manfred Zapatka, Michael Degen, Elizabeth McGovern, Jürgen Vogel, Nina Heimlich, Sky Dumont, Ana Capri, Chin-Chin Gutierrez, Ces Quesada, Herbert Feuerstein. Eddi Arent

Der Flughafen von Manila: Der Abflug einer Maschine nach Deutschland verzögert sich enorm. In der Halle frustrierte Touristen und einige Einheimische, die aus den verschiedensten Gründen nach Deutschland wollen. Die einen warten still und gottergeben, die anderen lassen die deutsche Sau raus.

 

Eine äußerst bitterböse, eiskalte und rabenschwarze Studie in Selbsthaß, die eigentlich keinen verschont. Mal typenhaft schematisiert, mal charakterlich etwas differenziert, mal zur höhnischen Fratze verzerrt, mal haarscharf der Realität abgeschaut wird der Deutsche an sich, so wie ihn Karmakar und Bodo Kirchhoff sehen, vorgeführt: Der joviale Geschäftsmann, der gleich das Potential des Sextourismus mit allen Begleitmärkten erkannt und konsequent ausgeschöpft hat, nicht ohne nebenbei auch was für sich privat abzuzwacken. Der verbitterte Ex-Monteur, der das jahrzehntelange Rumreisen im Ausland satt hat, stolz sein Eigenheim betont und sich ansonsten als mieses Sexistenschwein gibt. Das etwas verkniffene Ossiehepaar aus Apolda - genau in der Mitte zwischen Weimar und Buchenwald, also zwischen allen Stühlen der ach so wechselvollen deutschen Geschichte: Er entdeckt plötzlich die Freuden des Alkohols, der Ausgelassenheit, des lustvollen Oléoléoléolé-Grölens, sie guckt entsetzt aus der Ferne zu und erkennt ihren eigenen Gatten nicht wieder. Der schlitzohrige Schwabe, der mit weichem Akzent und schmeichelndem Benehmen Muschibilder und nackte Weiber vorzeigt und überhaupt aus allem und jedem Profit schlagen will. Dann die Amerikanerin auf Reisen durch die Südsee und nebenbei auf Männerfang, obwohl sie gleichzeitig die Herren zu verachten scheint. Undsoweiter. Die Mädchen von den Inseln, jede mit ihrer eigenen privaten Hoffnung, die einen mit Empfehlungen für Blow-Jobs, die einen womöglich mit etwas seriöser gelagerten Perspektiven. Die Dritte Welt hat sich an die Deutschen verkauft und schaut nun den teutonischen Exzessen mit einer Mischung aus Unverständnis, Angst, Belustigung und Verachtung zu. Und die Teutonen, was tun sie? Jubeln Eddi Arent zu (ein grotesker Auftritt, eigentlich kein bißchen komisch, und dennoch geht er einem merkwürdig nahe als Relikt aus längst vergangenen Tagen des deutschen Films), gaffen Muschibilder an, reißen schweinische Witze, räsonieren über fremde Länder und die deutsche Geschichte, saufen sich zu, drohen, spielen sich auf, suchen nach schnellen Ficks, wichsen hektisch auf dem Klo, handeln mit philippinischen Mädchen und treten insgesamt als bedrohlich dumpf lärmender Organismus auf. Kurz: Sind alles mögliche, nur nicht sympathisch, liebenswert und irgendwie zur Identifikation geeignet. Einen bissigeren, grimmigeren Blick auf die Deutschen hat es lange nicht in einem Film gegeben, der die räumliche Enge und die verschiedenen individuellen Geschichten souverän handhabt, der es geschickt versteht, platte Albernheiten und böse Tiefschläge bruchlos zu verschmelzen, der über ein teilweise überragendes Darstellerensemble verfügt (vor allem Zapatka, Degen, Carstensen und Rühring sind grandios), der hier und da mal ein bißchen arg schrill wird, dies aber durch seine straffe Dramaturgie und die überzeugende Regiegestaltung ausgleicht. Kein seichter Scheiß, sondern dunkelschwärzeste, härteste Satire. (8.8.)