„Nora“ (#) von Pat Murphy. Irland/England/BRD, 1999. Ewan McGregor, Susan Lynch, Andrew Scott, Vincent McCabe, Veronica Duffy
Die Geschichte der Nora Barnacle (1884 -1951), die von 1904 bis 1941 die Lebensgefährtin und nach 1931 auch die Ehefrau von James Joyce war, mit ihm von Dublin nach Rom, Triest, Paris, Zürich floh, überall dorthin, wohin es den rastlosen Joyce trieb, gemeinsam mit zwei Kindern und sehr wenig Geld, in ständiger Sorge um das tägliche Auskommen und um die Veröffentlichungsmöglichkeiten der literarischen Werke des Schriftstellers.
Also – “Die Frau an seiner Seite“ Teil soundsoviel? Na klar doch, ganz egal, was uns Brenda Maddox oder dieser Film oder sonstwer glauben machen wollen. Man darf sich nicht von (berechtigten oder nicht berechtigten) feministischen Ansätzen blenden lassen und auch nicht davon, daß Nora sicherlich eine tragende Säule in Joyces Leben war und außerdem neben vielem anderen die Molly Bloom inspiriert und geprägt hat. Ihr Leben stand völlig unter seinem Diktat, in negativer wie in positiver Hinsicht, sie hat sich fast gänzlich hintenan gestellt, ihm alles geopfert, einem launischen, egozentrischen, unberechenbaren, von Alkoholsucht, Zweifeln, Pathos und Ängsten getriebenen Menschen, der in ewiger Haßliebe seinem Heimatland verbunden war und daraus die größte Literatur aller Zeiten geformt hat. Sie war Objekt und Katalysator seiner sexuellen Fantasien, Ziel seiner fürchterlichen Eifersucht, Gegenstand seiner Sehnsüchte, Gefühle, Zufluchtsort in seiner Verletzlichkeit, Hilflosigkeit, Kindlichkeit. Mal Mami, mal Hure, alles in einer Person, und dennoch nur ein einfaches Mädchen aus Galway, der, wenn sie nicht die Frau eben dieses Mannes gewesen wäre, niemand eine siebenhundert Seiten lange Biografie gewidmet hätte. So sieht dann auch dieses Werk aus, das manchmal ärgerlicher- und überflüssigerweise Züge einer Frauenillustrierten trägt, und in allem natürlich völlig auf die Beziehung von Noras zu Joyce fixiert ist. Was vor seinem Auftauchen und nach seinem Tod mit ihr passiert, wird auch erzählt, nur leider nicht in diesem Film, der sich auf die Jahre zwischen 1904 und 1912 konzentriert: Noras Flucht nach Dublin, ihr erstes Zusammentreffen mit Joyce, das gemeinsame Durchbrennen, die Jahre in Triest (unter Auslassung der Jahre in Rom), die Geburt der beiden Kinder, die ewigen Querelen der beiden, ihre Geldnöte, Joyces gelegentliche Reisen nach Irland, der vergebliche Kampf um die Publikation von „Dubliners“, Trennung und Wiederzusammenfinden der beiden, und schließlich der endgültige Bruch mit Irland, als klar wird, daß die Texte dort in absehbarer Zeit keinen Verleger finden werden.
An sich ist dies noch nicht mal ein schlechter Film. Er hat Stil und Gefühl, gute Darsteller (wenn auch viel zu alte und, im Falle Noras, zu schöne, jedenfalls wenn man mit gängigen Fotos der Dame vergleicht) und zeigt in bewegenden Bildern eine bewegende Liebes- und Leidensgeschichte, die den Betrachter vermutlich nicht unbeteiligt lassen wird. Hingegen kann der Film seinem Anspruch, eine Verfilmung der Maddox-Biografie zu sein, natürlich nicht mal ansatzweise gerecht werden, denn aus über sechzig geklebten Jahren gerade mal acht auszuwählen, die noch nicht mal die prägenden gewesen sein müssen, ist schlicht unzulässig. Natürlich muß sich ein Kinofilm zwangsläufig auf irgend etwas beschränken, aber Noras Leben mit Joyce war auch nach 1912 noch bewegt, interessant und aussagekräftig, mal ganz davon abgesehen, daß ihrem Leben ohne ihn keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wird. Gerade mal eine kurze Andeutung über ihr problematisches Elternhaus, eine kurze Erzählung über die unglückliche Liebe zu jenem Jüngling, der ihretwegen den Kältetod starb und Joyce zu „The Dead“ anregte. Es geht nur um sie und Joyce oder eher, wenn man es genau betrachtet, um Joyce, um dessen Person und Schaffen sich die Erzählung weitaus intensiver dreht als um Nora, die zwar viel leidet, viel klagt, ab und zu mal verrucht oder sexy sein darf, aber eben auch hier nicht mehr als die Frau an seiner Seite ist. Susan Lynch, eine Mischung aus Fanny Ardant und Andie MacDowell, spielt mit Intensität und viel Ausdruck, kann aber nie und nimmer eine Zwanzigjährige glaubhaft machen (denn älter ist Nora nicht beim ersten Treffen mit Joyce) und noch weniger eine Landpomeranze aus dem wilden irischen Westen, praktisch, bodenständig forsch. Sie wirkt zu kultiviert, zu elegant, zu fein, als daß man ihr irgendeine Derbheit glauben würde. Die Schuld daran liegt allerdings kaum in Lynchs Spiel, als vielmehr darin, wie Noras Charakter im Film angelegt ist. Ewan McGregor gibt sich ebenso viel Mühe mit Joyce und bringt durchaus ein kontroverses Porträt des Künstlers zustande, doch bleiben seine familiären, künstlerischen und sozialen Hintergründe so unscharf, daß man ihm als Charakter weniger Bedeutung zumessen möchte, als ihm der Film gibt. Zwar kommen die Dubliner Gogarty und seine Spießgesellen flüchtig vor, zwar wird Stanislaus‘ Rolle als seines Bruders Hüter ausführlich verarbeitet (was natürlich auch wenig mit Nora an sich zu tun hat), doch bleibt alles nur angerissen, Stückwerk. Noras Bedeutung für Joyces literarisches Schaffen bleibt Behauptung, hier hätten einige Beispiele vielleicht gutgetan, aber wenn man schon 1912 aufhört, bleiben viele der wichtigsten Dinge unerwähnt. Es liegt mithin nicht an der Ausführung, es liegt an der Konzeption, die von vornherein ein Fehlschlag ist und unter keinen Umständen zu einem gelungenen Film hätte führen können. Entweder man läßt sich ganz auf Nora ein, was vermutlich keinen richtigen Film hergegeben hätte, oder man konzentriert sich gleich auf Joyce unter gebührender Würdigung seiner Frau, dann aber muß man sich nicht hinter einer frauenbewegten Biografie verschanzen. Der Film hat sich richtig schön zwischen die Stühle gesetzt und kann folglich keine Fraktion zufriedenstellen. Schade eigentlich. (10.10.)