„Oi! Warning“ von Dominik und Benjamin Reding. BRD, 1998. Sascha Backhaus, Simon Goerts, Sandra Borgmann, Jens Veith, Britta Dirks
Ein schwäbscher Bub Janosch flüchtet aus dem Elternhaus, landet im Pütt bei seinem alten Freund Koma und dessen schwangerer Frau, findet Arbeit im gleichen Brauereiwerk und gerät durch Koma in die tiefste Glatzenszene hinein. Er ist fasziniert von ihrem Look, ihrem Miteinander, ihrer Männlichkeit und ihrer Stärke. Er lernt aber auch Blanca kennen, die lieber eine Wohnung und Kinder haben und ihn aus der Szene weglotsen möchte. Und er lernt einen Dropout kennen, einen Lebenskünstler, der in Scheiß und Schlamm haust, Feuer spucken und jonglieren kann und alles in allem sehr frei und unabhängig wirkt. Unser Janosch verliebt sich in den Typen, ist aber nicht stark genug, auch vor dem eifersüchtigen, besitzergreifenden Koma dazu zu stehen, so daß es am Schluß eine fürchterlich gewaltsame Auseinandersetzung gibt, an dem unser kleiner Bub nur noch um eine zweite Chance bitten kann.
Daß der Film überhaupt den Weg ins Mitternachtskino unserer kleinen Stadt gefunden hat, ist erstaunlich genug. Den lokalen Kinobetreibern war es denn auch ein Anliegen, dieses Werk vorab quasi ideologisch abzufedern und einen spöttischen Anti-Nazi-Spot einzuspielen, der alles wieder ins rechte (äh...) Lot rücken wird. Ihre Angst ist dabei ganz unbegründet, denn der Film enthält für meinen Geschmack keinerlei politischen oder sozialen Zündstoff, dazu nähert er sich den Glatzen und ihrer Szene viel zu flüchtig und oberflächlich (leider, leider!). Es geht sowieso nicht um die politischen Wüteriche und Friedhofsschänder und Ausländerkiller, sondern um einfache Burschen, die gern viel saufen, viel Pogo machen, sich gern was auf die Fresse geben und natürlich jederzeit bereit sind, auch Fremdgruppierungen aufzumischen, Hauptsache, es bringt Spaß und man kann nachher die Bizeps wieder vor dem Spiegel polieren. In wenig recht prägnanten und wie es scheint auch recht ironischen Augenblicken wird der unerhörte Narzißmus dieser Typen karikiert, ihre Stumpfheit, ihre Unbedarftheit, die aber, verglichen mit den Polit-Nazis, recht harmlos und zumindest gesamt gesellschaftlich gesehen nicht sonderlich bedrohlich ist. Bedauerlicherweise werden immer wieder Nebenhandlungen eingeflochten, die überflüssig sind, sehr viel Zeit rauben und bis zuletzt auch in ihrer Funktion unklar bleiben, während die Glatzen selbst am liebsten bei nächtlichen Pogoorgien gezeigt werden, eine wild kämpfende, schwitzende Meute, die alles abreagiert, was sie bewegen könnte und dabei unerhört viel Adrenalin ausschüttet, aber das hat man eigentlich schon beim ersten Mal kapiert und hätte vielleicht noch andere Bereiche des sozialen Glatzenlebens gesehen, sofern überhaupt vorhanden. Unser Schwabenbursch stolpert sehr unbedarft und fast sprachlos durch die dunkle Außenseiterszenerie, läßt sich wahllos beeinflussen, manipulieren, herumstoßen vom einen oder anderen, rasiert sich flott eine Glatze und guckt beim Pogo zu, aber niemals, bis zum Ende hin eigentlich, erfährt man mehr über seien Eindrücke, Gefühle oder wie er das Erlebte, das für ihn ja schier unglaublich sein muß, verarbeitet. Zum Schluß plötzlich rafft er sich zu bitterer Selbsterkenntnis auf, geißelt seine Feigheit und hofft, daß es beim nächsten Mal zu seinem Freund stehen kann, ihn nicht verrät und verläßt. Ein Aufschrei, der sehr spät kommt und bei Janosch nicht recht glaubhaft wirkt, denn bislang hatte man ja stets nur sein groß glotzendes und staunendes Gesicht gesehen und mit erlebt, wie er sich schrittweise Komas Lebensart anpaßt, ohne gänzlich unempfänglich für die Argumente der Weiblichkeit zu sein. Natürlich ist der Film allein schon durch sein völlig ungewöhnliches Milieu sehr interessant und durch seine schroffe Schwarzweißgestaltung auch optisch sehr ansprechend, doch hätte er, finde ich, viel mehr aus der Sache machen, hätte sich weiter vorwagen und viel provokanter sein können. Er wird sehr roh und direkt, manchmal eben zu langatmig, dann wieder spannend und intensiv, aber ich kann mir kaum vorstellen, daß man durch ihn ganz neue und tiefe Einsichten in diese Gesellschaftsgruppe bekommt. Naja, alles mal wieder eine Frage der Ansprüche wahrscheinlich. (22.11.)