"Plus-Minus Null" von Eoin Moore. BRD, 1998. Andreas Schmidt, Tamara Simunovic, Kathleen Gallego Zapata

Drei Menschen in Berlin, deren Wege sich für ein paar Tage kreuzen: Alex ist ein komischer Chaot, der mal hier mal da auf dem Bau jobbt, bei Bedarf Werkzeug mitgehen läßt und verscherbelt und auch sonst von allerlei mehr oder minder lukrativen krummen Dingern lebt. Nichtsdestoweniger ein lieber, lustiger Kerl mit Frau und Kind, für die er selbstverständlich keine Verantwortung übernehmen kann und die sich deshalb an einen anderen Mann gehalten haben. Svetlana aus Bosnien ist Friseuse mit beschränkter Aufenthaltserlaubnis, die sich soviel Geld wie möglich auf dem Straßenstrich dazuverdient, um, wenn sie zu Mama nach Haus kommt, einen eigenen Laden übernehmen zu können. Die beiden verlieben sich ein bißchen, und Svetlana hofft, Alex heiraten und damit die Green Card erhalten zu können, aber Alex ist eben noch verheiratet und kommt auch sowieso nicht zu Potte. Eine zweite Dame aus dem Milieu um die Kneipe "Dill-Gurke" wirft ebenfalls ein Auge auf den Schlacks, aber diese Geschichte geht auch schief: Er will sie zum Kauf eines gammeligen Frittenwagens überreden doch sie überlegt sich die Sache in letzter Sekunde anders. Das war's und ein jeder geht wieder seiner Wege: Die eine schafft weiter an, die andere reist ab nach Bosnien und Alex wandert zur nächsten Baustelle und alles ist wie bisher.

 

Die Formel aus dem Titel gibt ziemlich akkurat seine etwas bittere Erkenntnis wieder, daß das Leben unter dem Strich oftmals als Nullnummer endet, so wie für die drei Leute hier, die kurzzeitig träumen dürfen und hoffen dürfen, dann aber doch so weitermachen müssen wie zuvor, mit Ausnahme Svetlanas natürlich, die Deutschland verlassen muß, obwohl sie nichts nach Bosnien zieht. Das ist traurig und Eoin Moores beschönigt daran gar nichts und gibt sich keine Mühe, es leichter erscheinen zu lassen als es ist, aber dennoch zeichnet sich sein hervorragender Film nicht gerade durch Trübsinn aus, sondern durch eine unerhört lakonisch-humorvolle Zustandsbeschreibung, die nach bestem britischen Vorbilde einfühlsam und brillant milieuecht geraten ist. Eine wacklige, bewegliche Videokamera streift mit den ruhelosen Protagonisten durch ein zumeist nächtliches Berlin, das sich eher unwirtlich, fast irreal gibt, eine riesige Baustelle eben, die Konsum- und Repräsentationstempel in den Himmel kotzt und den kleinen Mann leicht unter sich begräbt. Alex überwindet deshalb immer mal wieder seine Höhenangst und klettert auf die Dächer, um wenigstens einen kleinen Ausblick zu haben. Ansonsten steckt er tief drin in der eigenen Verwirrung, läßt sich forsch und gründlich treiben und zeigt sich von jeglichem Anspruch völlig überfordert. Die Mädels ihrerseits nehmen ihr unerfreuliches Gewerbe achselzuckend hin und stellen fest, daß es auch nur ein Job ist wie alle anderen. Die eine hofft auf bessere, eigenständigere Zeiten, die andere wartet auf eine Umschulungsmaßnahme und muß lediglich die Zeit überbrücken. Genau genommen sind sie nur zwei unter vielen auf den breiten, gesichtslosen Straßen um den Potsdamer Platz. Moore hat sich aus der Menge diese drei herausgepickt, schaut ihnen für eine Zeit zu, läßt ihnen aber ihre Freiheit und läßt sie am Schluß dann auch ziehen, ohne sich anzuklammern und ohne dem Zuschauer die Illusion von Sicherheit oder Klarheit zu geben. Nichts ist nämlich sicher für sie, nichts ist klar, alles kann so oder so werden, jeder bleibt allein. Ernüchtern irgendwie, aber naja. Dazu kracht der trockene Beat von Fiona Apple, um die Handlung weiterzutreiben, dazu schleppen sich die wunderbaren Songs von Element of Crime durch die Bilder, kommentieren diese und geben ihnen unverwechselbare Atmosphäre. Ein toller Soundtrack, drei ganz tolle Schauspieler und insgesamt auch ein toller Film zwischen dänischem Dogma und britischer Sozialstudie. Ab und zu kann man also auch über einen deutschen Film sagen: Na also, es geht doch. (23.5.)