„Summer of Sam“ (#) von Spike Lee. USA, 1998. John Leguizamo, Mira Sorvino, Adrien Brody, Jennifer Esposito, Anthony LaPaglia, Ben Gazzara

Der Sommer, von dem hier gesprochen wird, ist der New Yorker Sommer ’77: Brütende Hitze, Stromausfälle, Plünderungen, Gewalt, Discofieber, Studio 54, Schlaghosen, Glitzerlook, Bürgermeister Abe Beam, Rassenkrisen und dann ein kleiner Schuppen namens CBGB, in dem dröhnend laute Musik geschrammelt wird und wo Typen mit unerhörten Frisuren ein und ausgehen. Das Normalovolk steht diesen Leuten, Punks genannt, mal ratlos, mal aggressiv gegenüber.

Und der Sam des Titels ist ein unheimlicher Massenmörder, der in kurzer Zeit ein halbes Dutzend Menschen erschießt, meistens in Autos knutschende Pärchen. Ein Psychopath namens Berkowitz, der sich Sam nennt und seine Befehle von einem uralten Hund erhält. Die Leute aus den Vierteln, erst die Italos, später auch die Schwarzen, wollen die Sache in die eigene Hand nehmen, weil die Polizei wie immer versagt und die Nachbarschaft langsam in Panik gerät. Und so bilden sich kleine Privatarmeen, die Listen mit verdächtigen aufstellen, und am Schluß muß um ein Haar ein Unschuldiger – natürlich ein Punk – dran glauben, obwohl der Mörder schon längst verhaftet worden ist.

 

Dies ist der aufregende, fiebrige, packende Hintergrund für die kleinen Geschichten einiger Leute, zumeist aus dem Italoviertel der Bronx. Geschichten von Liebe, Betrug, Sex, Aggression, Familiensippen, Kumpanei und vor allem verbohrtem Haß auf alles Andersartige. Als einer aus dem Viertel zum Punk mutiert, richtet sich der Zorn der ebenso biederen, wie hilflosen, altmodischen, katholischen Machos gegen ihn, der ihnen ein bequemes Feindbild liefert, leicht identifizierbar, und so wird er aus Kneipen geworfen, bedroht und schließlich zusammengeschlagen. Daneben gibt es die Story von Vinnie, einem klassischen Latin Macho und seiner Frau Donna, die er nach Strich und Faden belügt und betrügt und schließlich vor den Trümmern der Ehe steht. Um die beiden, den Punk Ritchie und die anderen Jungs und natürlich den irren Sam, wie er von Dämonen geplagt in seiner Wohnung haust und ab und zu zum Töten hinausgeht, dreht sich die Erzählung, die dynamisch voranschreitet,  dokumentarische Szenen einflicht, sich intensiv um Zeitkolorit bemüht und natürlich uns allen die Musik jener Jahre wieder nahebringt. Spike Lee will aber weder einen Film über einen Serienkiller drehen noch über die Buddies aus dem Viertel noch über Vinnie und sein kaputtes Leben, sondern einen Film über New York, seine Stadt, die er stets mit einer Mischung aus Liebe, Haß und Wut porträtiert hat, in seinen früheren, brillanten Milieufilmen und selbst noch in den etwas gedehnten, konventionelleren und hierzulande kaum noch in den Kinos erschienenen späteren Werken. Nun ist er wieder da in alter Form, und man sieht, was man immer schon an ihm hatte: Sexy, funky, heiß, engagiert, witzig, dramatisch, mitreißend, mitreißend rasant kann er in seinen stärksten Augenblicken sein und genauso verhält es sich hier. Die zweieinviertel Stunden vergehen im Nu, amüsiert, angetörnt (denn Mira Sorvino ist echt sexy...), bewegt oder zornig hängt man am Geschehen, mal ganz dicht dran, dann wieder geschickt auf Distanz gebracht, denn Lee macht nie nur Filme für den Bauch, sondern auch für den Kopf. Dann demonstriert er uns, wie gut amerikanisches Kino im Bestfall sein kann – emotional aufgeladen und doch glasklar im politischen Engagement. So gut und leider genau so selten. Man kann also nur hoffen, daß Lee wenigstens ab und zu noch mal einen Film von solchem Format machen kann. (22.12.)