"The Limey" (#) von Steven Soderbergh. USA, 1999. Terence Stamp, Peter Fonda, Barry Newman, Leslie Ann Warren, Luis Guzman
Der Limey Wilson ist ein Typ aus England, der mehr Zeit im Knast verbracht hat als draußen und der beizeiten einsehen mußte, daß es mit einem geregelten Familienleben bei ihm wohl nichts werden würde. Seine Tochter verduftete alsbald nach L.A., freundete sich mit einem windigen Poppromoter Valentine an, geriet in Drogengeschäfte und war eines Tages tot. Eines schönen Tages also steht der Limey da und will wissen, was passiert ist und wer die Schuld daran trägt, und weil er ein harter Kerl ist, müssen ziemlich viele Kalifornier sterben, und die Wahrheit kriegt er auch raus, auch wenn ihn das kein Stück glücklicher macht.
Ein in Schachteln, Rückblenden und Handlungsfragmenten brillant vertrackt erzählter Krimi, inhaltlich dabei nach ganz klassischem Zuschnitt. Eine Rachegeschichte im eigentlichen Sinn - Paps auf der Suche nach dem Mörder seiner Tochter. Alles natürlich auf unsere moderne Zeit zugeschnitten, aber doch mit tollen, atmosphärischen Schauplätzen zwischen den Canyons im Hinterland und Big Sur an der donnernden Pazifikküste. Dazwischen geraten sich Gangsterbanden und die Drogenfahndung in die Quere, versuchen kleine Killer, so ganz nebenbei die große Absahne und bemüht sich der Busenfreund unseres Hauptverdächtigen vergeblich, das Heft in der Hand zu behalten. Der Limey wandert etwas befremdet aber doch grimmig entschlossen durch das konfuse Geschehen und profitiert am Schluß eindeutig davon, daß sich seine Gegner selbst dezimieren und er sich Valentine in aller Ruhe zur Brust nehmen kann. In diesen beiden Figuren - Wilson und Valentine - liegen Soderberghs eigentliche Absichten, nämlich eine Reflektion über die Sechziger, ihre Träume, Ideale, Visionen und das, was Ende der Neunziger davon geblieben ist. Wilson erscheint in Rückblenden, in Bildern von glückliche Zeiten mit Frau und Tochter, mit Freunden in den Pubs und mit der Gitarre zu Donovan-Songs. Er hat überlebt und ist ganz schön tough, aber auch völlig einsam, verschlossen und verbittert. Mit starrer Miene fliegt er nach Hause, so allein, wie er gekommen war, und was bleibt, sind die schmerzhaften Erinnerungen. Valentine ist ein weichlicher, linkischer Typ, der sich leicht zynisch an die rosa Wolken von 66/67 erinnert, und den die Schnelligkeit und Brutalität der Zeit ganz einfach überfahren hat. Hektisch streicht er sich durchs ergraute Haar, hält sich junge Liebhaberinnen und strauchelt am Schluß wie eine Frau über den Kieselstrand, dem Verfolger hilflos ausgeliefert. Mit Stamp und Fonda hat Soderbergh für diese beiden gegensätzlichen Herren grandiose Darsteller gefunden, und vor allem Stamp kann sein ganzes Charisma eindrucksvoll entfalten - in seinem Gesicht scheint soviel zu stehen, und doch gibt es nie zuviel preis. Ein zugleich unterhaltsamer, spöttischer, melancholischer, grimmiger und intelligenter Film. Lange nichts von Soderbergh gehört. Umso schöner, daß das Wiedersehen so erfreulich ausgefallen ist. (11.1.)