"The lost Son" (#) von Chris Menges. England/Frankreich, 1999. Daniel Auteuil, Katrin Cartlidge, Nastassia Kinski, Marianne Dénicourt, Ciáran Hinds
Xavier ist Privatdetektiv aus Paris in London. Er soll den verschwundenen Sohn einer wohlhabenden österreichisch-jüdischen Familie finden, deren Tochter mit seinem Ex-Kollegen und Freund verheiratet ist. Bei ersten Ermittlungen stellt er fest, daß der Verschwundene offenbar einem Kinderpornographiehandel auf der Spur war und bereits eines der Kinder bei seiner Freundin in Felixstowe in Sicherheit gebracht hat. Xavier ist erschüttert von den Bildern der Kinder, die wie Tiere zur Mieter angeboten werden, und macht sich ebenfalls daran, die Drahtzieher zu finden.
Ein nach klassischen Vorbildern konstruierter und typisierter, thematisch aber recht moderner Privat-Eye-Thriller, der ganz sicher nichts für zarte Gemüter ist, denn natürlich geht es ziemlich hart zur Sache bei der Suche nach den Verbrechern. Xaviers beste Freundin, eine Prostituierte, muß grausam sterben, und er selbst hat am Schluß allerhand Blut an den Händen kleben. Daß sich ausgerechnet sein alter Kompagnon und Mitstreiter aus harten Pariser Tagen als Hauptgegner entpuppt, kommt für uns eigentlich nicht so überraschend, denn schon ein Blick auf den merkwürdig stockigen, mürrischen Ciaran Hinds genügt, um uns davon zu überzeugen, daß er ganz gewiß nicht einfach unschuldig und unbeteiligt am Rande der Geschichte wartet. Von Anfang an, von der Vermittlung des Auftrags, über die ersten vorsichtigen Kontakte, die immer tiefere Verstrickung, die ersten bedrohlichen Momente bis hin zum ausgedehnten, rasanten Showdown, folgt Menges herkömmlichen Mustern, doch er tut es mit viel Stilgefühl und vor allem sehr viel Spannung, die er durchgängig halten kann. Atmosphärisch schöne, dichte Bilder (von Ken Loachs Hausfotograf Barry Ackroyd), die zumindest teilweise tolle Musk von Goran Bregovic, hervorragende Schauspieler (vor allem die illustre Damenriege kann sich neben dem wie immer starken Auteuil sehen lassen) und eine gradlinige, straffe Erzählweise machen die Qualitäten dieses Films aus, der uns nicht mal so sehr durch seine Gewalttätigkeit auf den Magen schlägt, sondern viel eher durch die kompromißlose Darstellung des brutalen, unmenschlichen Geschäfts mit Kindersex. Es gibt einige Sequenzen, die uns schier den Atem nehmen, obgleich an sich gar nichts Spektakuläres vorfällt: Wenn beispielsweise Xavier zum ersten Mal Fotos der "Objekte" betrachtet, und wir die nackten, schrecklich hilflosen, ausgelieferten Körper der Jungen sehen. Oder wenn Xavier mit seinem "Objekt" allein im Hotelzimmer ist und wir nur das schnelle, angsterfüllte Atmen des schmächtigen, panischen Jungen hören und dazu seinen Blick sehen. Oder schließlich in Mexiko, wo Xavier auf das Basislager der Händler stößt und kleine Mädchen und Jungen wie Vieh auf große Lastwagen verladen und dann in die Stadt transportiert werden. Hier und da wünscht man sich, Menges hätte sich mit der Ausgestaltung mancher Szenen etwas mehr Zeit gelassen, statt ruhelos voranzuschreiten, andererseits macht gerade dieser harte Rhythmus die Stimmung des Films aus, der uns von Anfang an mitzieht und bis zum Ende nicht mehr losläßt. Ein wirklich starker Krimi, der seinen amerikanischen Vorbildern in gar nichts nachsteht. (23.6.)