"Three Seasons" (#) von Tony Bui. USA/Vietnam, 1998. Don Duong, Nguyen Ngoc Hiep, Tran Manh Cuong, Zoe Bui, Harvey Keitel, Nguyen Huu Duoc
Saigon heute: Hai ist Cyclofahrer und liebt die Prostituierte Lan. Kien An ist Lotuspflückerin auf dem Land, verkauft die Blumen in der Stadt und lernt ihren kranken, rätselhaften Herrn kennen. Woody ist Straßenjunge und lebt von seinem Bauchladen. Hager war vor dreißig Jahren als GI in Saigon, hat dort ein Kind gezeugt, auf dessen Suche er nun ist.
Und so kreuzen sich die Wege dieser Menschen in der Stadt eher flüchtig: Hager und Hai kaufen Blumen von dem Mädchen, Woody trifft Hager, fällt in einen Bierrausch, verdächtigt den Amerikaner, den Bauchladen gestohlen zu haben und sucht ihn. Aber jeder lebt seine eigene Geschichte weiter: Das Mädchen nähert sich vorsichtig dem scheuen Alten, gewinnt dessen Vertrauen und erbt seine Briefe und Schriften als er stirbt. Hai gewinnt durch seine liebevolle Hartnäckigkeit ebenfalls das Vertrauen der desillusionierten Prostituierten und kann ihr den Glauben an eine schöne Zukunft zurückgeben. Woody findet seinen Bauchladen und eine kleine Freundin. Und Hager findet seine Tochter und unterhält sich mit ihr sehr lange. Es sind dies, wie man sieht, elementare, ganz einfache Geschichten von Leben und Tod, Liebe, Mißtrauen, Armut, Hoffnung, Schuld und der Möglichkeit, diese Schuld doch zu begleichen, so wie der Amerikaner es tun will an jenem Ort, den zu verwüsten er einst selbst mitgeholfen hat. Natürlich ist dies aber kein Film mehr über den Krieg, sondern ein Film über die moderne Hoh-Chi-Minh-Stadt und ihre Schicksale, die trotzdem vielfach noch von diesem fernen Krieg geprägt, überschattet, geformt sind. Ein Film über die Stadt, aber ein ganz anderer Film etwa als der fieberhafte, bedrohliche, schrille, traumatische, beeindruckende "Cyclo", der Menschen am Abgrund und jenseits zeigte. Dies ist ein Film des Friedens, der Versöhnung, letztlich der Harmonie, des Vertrauens in die positiven Kräfte des Lebens, ein sehr ästhetischer, warm und ruhig fließender Film in wunderbaren Bildern und schön meditativer Musik, ein Film, der Brücken bauen und nicht primär anklagen möchte. Soziale Krisen und Mißstände werden dabei sehr wohl auf die Leinwand gebracht, Armut, Hunger, Prostitution, Entwurzelung und Hoffnungslosigkeit nicht verschwiegen, aber auch niemals ausweglos dargestellt. In ihrer spezifischen Qualität unterscheiden sich die Geschichten im Grad ihrer sozialen Verankerung: Die Lotuspflückerin und der alte Mann scheinen für ein vergeistigtes, traditionsverhaftetes, altes Vietnam zu stehen, während die Episoden aus der Stadt von einem ganz anderen Land künden, das zwar in manchen Punkten noch furchtbar rückständig ist, sich in anderen wiederum schon der Lebensweise sogenannter moderner Zivilisationen angepaßt zu haben scheint. Es besteht zwischen diesen zwei Welten kein Gleichgewicht mehr - die neue, moderne Welt besitzt ein klares Übergewicht, ihr wird die Zukunft gehören, und dennoch ist es angebracht und wichtig, Elemente des klassischen alten Lebens mit hinüberzunehmen, sich ihrer gelegentlich zu besinnen, den einfachen Dingen, die die Menschen letztlich aber von völliger Entfremdung bewahren könnten. Ein sehr intensiv und schön gestalteter, nachdenklicher Film, produziert von Keitel, der selbst eine sehr warme, sympathische Darstellung beisteuert, und der zeigt, wie man uns so scheinbar ferne Länder und das Leben dort nahebringen kann. (18.5.)