„Vergiss Amerika“ von Vanessa Jopp. BRD, 2000. Marek Harloff, Roman Knizka, Franziska Petri, Andreas Schmidt-Schaller, Rita Feldmeier
David und Benno aus Sachsen-Anhalt sind von klein auf die besten Freunde, die immer zusammen hängen, unzertrennlich sind. Als dann ein Mädchen dazu kommt, die Pfarrerstochter Anna, ist schon klar, daß die Jungenfreundschaft eine ernsthafte, kaum zu bestehende Probe durchlaufen wird, denn für einen der beiden wird sich die Dame entscheiden und damit einen tiefen Keil zwischen sie treiben. Sie entscheidet sich für den forscheren Benno und fortan ist David nur noch Zaungast dieses Glücks. Aber auch sonst laufen die Wege der beiden Jungs nicht mehr parallel: Beno geht zu den Fallschirmjägern, David als Zivi nach Rügen (Anna zur Schauspielschule nach Berlin). Als alle drei wieder im heimatlichen Kaff sind, spitzt sich die Konkurrenz um das Mädchen und die unterschiedliche Lebensauffassung zu. David verliert seinen Job als Fotograf, sein Vater wird durch einen Arbeitsunfall an den Rollstuhl gefesselt und der Bruder läßt sich aus Frust über Arbeitslosigkeit eine Glatze schneiden. Benno hingegen macht einen Handel mit amerikanischen Straßenkreuzern auf, läßt sich flott mit polnischen Autoschiebern ein und hat für Davids resignative Töne nur Verachtung übrig, während David das gefährliche, leichtsinnige und verantwortungslose Geschäftsgebaren des Freundes nicht mehr versteht und, nachdem er ihn schon einmal ziemlich ramponiert aus Polen rausholen mußte, ihn daran zu erinnern versucht, daß hier nicht Amerika sondern nur der Osten ist. Als dann Anna kurzzeitig mal zu David umschwenken will, ist der Bruch perfekt. Benno bittet David noch um einen letzten Gefallen, eine Fahrt nach Polen, doch irgend jemand hat die Bremsschläuche seines BMW durchtrennt und so landet Benno im brennenden Fahrzeug auf dem Acker und ist tot. David entschließt sich nun endlich, die Provinz zu verlassen, und im Zug, der ihn wegfährt, sitzt auch Anna.
Ein wunderbar beeindruckender, enorm gefühlvoller und dramatischer Film über eine Freundschaft und ihr wechselvolles Schicksal. Daß Frauen in der Regel das Ende jeglicher unschuldiger Jungenstreiche sind, weiß man und ist auch wahrhaftig nicht neu, aber all das wird hier so intensiv und von den Hauptdarstellern so bestechend natürlich präsentiert, daß gelegentliche Klischees ganz einfach übergangen werden, überhaupt nicht ins Gewicht fallen. Es geht natürlich auch um eine Jugend im Osten: Aschleben sieht aus wie jedes beliebige Landstädtchen dort und ist genau der triste, perspektive- und arbeitslose Ort, an den umtriebige Jungs und Mädchen garantiert verloren sind. Anna muß sich plötzlich als Synchronsprecherin in Pornos verdingen, David findet sich an der Fischtheke im neuen Supermarkt wieder (der dadurch wiederum seine eigene Mutter arbeitslos machen wird, denn die jobbt im lokalen Tante-Emma-Laden) und Benno kann nur durch kriminelle Geschäfte existieren, was ihm schließlich zum Verhängnis wird. Zweierlei Dinge kommen also hier zusammen: Die Konkurrenz der beiden Jungs um das Mädchen, die niemals beigelegt werden kann, und der Kampf um eine Zukunft, irgendeinen Silberstreif, der ihnen verspricht, daß diese Ödnis eines Tages überwunden werden kann. Wie schon gesagt, hat die Regisseurin den Mut zu großen Gefühlen, aber es sind echte Gefühle, Liebe, Wut, Eifersucht, Enttäuschung, Angst, keine blassen Phrasen, die drei Hauptfiguren wirken ebenso echt und nicht stereotyp und die ganze Darstellung, das Erzähltempo, in dem trotzdem das Gefühl für Zeit nicht verloren geht, sind so mitreißend und auf der anderen Seite einfühlsam, daß Spannung und Mitgefühl bis zuletzt ungebrochen erhalten bleiben. Auch ist es kein Problem, daß sich fast die gesamte Erzählung auf die drei Hauptpersonen konzentriert, denn die werden wie gesagt so glänzend gespielt, daß man kaum noch Nebenfiguren braucht. Ein sehr schöner Film, und man möchte doch gern mehr davon sehen. (21.11.)