"Love's Labour Lost" (Verlorene Liebesmüh') von Kenneth Branagh. England/USA, 1999. Alessandro Nivola, Alicia Silverstone, Kenneth Branagh, Natasha McElhone, Adrian Lester, Matthew Lillard, Nathan Lane, Timothy Spall
Man mag den Herrn Branagh in seiner Vorliebe für Shakespeare für etwas eingleisig oder spinnert halten, aber man kann ihm unmöglich vorwerfen, daß er sich bei seinen Verfilmungen nichts einfallen ließe. "Henry V." kommt als pompös-patriotisches Kriegsepos daher, "Hamlet" als Vierstundenmonstrum, "Much Ado about Nothing" als genial federleichte toskanische Fantasie und nun bringt er das relativ wenig bekannte "Love's Labour Lost" sogar als waschechtes Musical im Hollywoodstil der Dreißiger. Dazu gehören Schneid, Selbstbewußtsein und Temperament und über all dies verfügt der Mann in reichem Maße. Er liebt das Turbulente, Laute, Übermütige und bisweilen auch Übertriebene. Das kann manchmal ein bißchen nach hinten losgehen (wie beim Henry), manchmal aber fügt sich alles zu einer überaus glücksseligen Kinositzung zusammen. So wie einst bei "Viel Lärm um Nichts" - und nun wieder hier. Die Geschichte von den vier Studenten, die einen Entsagungseid ablegen, nur um bei der erstbesten Gelegenheit wortbrüchig zu werden und die Damen ihres Herzens innigst zu freien, wird auf den Vorabend des zweiten Weltkriegs verlegt (warum, blieb mir allerdings bis zuletzt unklar), und die ganzen Irrungen und Wirrungen um falsch zugestellte Briefe, intrigante Damen, ungelenke Herren, Politik, Clownereien und allerlei Unfug mit Songs von Gershwin, Porter und anderen Verdächtigen garniert und obendrein noch durch hinreißende Tanzszenen aufgelockert, in denen sich Branagh ganz nebenbei noch über die gesamte Musicalszenen lustig zu machen scheint. Die umwerfenden Choreografien greifen auf alle längst zum Klischee gewordenen Muster zurück und parodieren sie aufs Schönste, es werden brillante Slapsticks, witzige Kameratricks und ironische Liebeserklärungen an die Welt William Shakespeares miteinander verknüpft, und zwar mit soviel rasantem Schwung und Esprit, daß man wirklich seinen Spaß hat. Zweimal nur hat Branagh zuviel des Guten getan, einmal bei einer unpassend modernen erotischen Tanznummer, das zweite Mal bei den Ausschmückungen der Schicksale unserer Helden während des Krieges, denn diese allzu reale und düstere Szenerie hat wenig gemein mit dem schillernden Wolkenkuckucksheim, das uns Branagh in den anderthalb Stunden zuvor serviert. Aber sonst freut man sich über viele Evergreens, eine gelungene Casablanca-Verarschung und die neuerliche Bestätigung der Einsicht, daß Branagh in gewissem Rahmen (und zwar in ganz gewissem nur!) ein unnachahmlicher Typ ist, der seinen ganz persönlichen Verve so direkt und unwiderstehlich in einen Film einbringen kann, wie wohl kein zweiter Regisseur. Mal sehen, wie er uns Olde Willie beim nächsten Mal auftischt. (25.5.)