"Viehjud Levi" von Didi Danquart. BRD, 1998. Bruno Cathomas, Bernd Michael Lade, Ulrich Noethen, Martina Gedeck, Gerd Olschewski, Eva Mattes

Levi zieht Jahr für Jahr durch den ländlichen Schwarzwald und macht mit Bauern und anderen kleinen Leuten allerlei Geschäfte. Eines Tages kommen Leute von der Bahn, um Bauarbeiten vorzunehmen. Ein Ingenieur aus Berlin kommt auch. Der ist Nazi, und wer ab jetzt ein freches Maul hat, kriegt Probleme. Die hat Levi allemal, denn er ist Jude im Deutschland der dreißiger Jahre.

 

Die Verfilmung eines Theaterstücks, aber nicht nur deswegen ein Film in der Tradition von "Andorra". Hier wie dort geht es um die Mechanismen des Faschismus, der kollektiven Aggression, entwickelt in einer relativ kleinen, hermetischen Gemeinschaft, ausagiert am Juden, den man letztlich als Sündenbock für alles und jedes ausgemacht hat. Dem Naziingenieur und seinen Schergen gelingt es mit ganz einfachen Mitteln (Suggestion plus abschreckender Gewalt), die simpel und katholisch gestrickten Bauern davon zu überzeugen, daß nur der Jude Levi an all den Mißständen Schuld sein kann und es deswegen legitim ist, sich seiner zu entledigen. Es bedarf schon ausgesprochener Zivilcourage, die ebensogut tödlich enden kann, um Levi in letzter Sekunde zur Flucht zu verhelfen, doch weiß man, daß es das nächste Mal - und es wird ein nächstes Mal geben - anders ausgehen kann. Levi ist nicht das Opfer eines spontan entwickelten Judenhasses, er ist das Opfer einer menschlichen Grundhaltung (die in "Andorra" ganz genau so vorgeführt wird), nämlich der, daß in Zeiten plötzlicher Krisen ein Sündenbock gefunden werden muß, ein schwaches Glied in der Kette, ein Außenseiter. Der Ingenieur weiß genau, daß er den stumpfen Landeiern nicht mit deftigen nationalsozialistischen Parolen kommen kann, sondern daß er sie woanders treffen muß, da, wo ihre eigene Existenz betroffen ist. Der Film zeigt dies enorm wirkungsvoll als eine ruhig und mit teilweise stiller, bitterer Ironie vorgeführte Abfolge längerer Szenen, die sich zunehmend verdichten, so wie sich der Kreis von Feindseligkeiten rings um Levi verdichtet. Die meisten der Konflikte finden erstmal auf ganz anderen Schauplätzen statt - Konkurrenz um eine Frau, Machtspielchen auf niederer Ebene, Familienzwist, Streit um einen Brautwerber und dergleichen. Erst ganz zum Schluß, in einer wirklich dramatisch spannenden Kneipenszene, werden all diese kleinen Konflikte gebündelt und punktgenau auf Levi gerichtet, der ganz plötzlich am Pranger steht und sich dem dumpfen, alkoholisierten Haß der Dorfbewohner ausgesetzt sieht. Der Film hat es nicht nötig, krass zu überzeichnen, oder seine Klischees über Gebühr zu belasten. Er ist grandios gespielt und sehr überzeugend gestaltet, mit straffer Dramaturgie und wunderschönen Bildern, die die Tragödie des Juden Levi sehr wirkungsvoll begleiten und kommentieren. Nicht die lauten Töne treffen hier ins Mark, sondern die stille, intensive Erzählweise. Von der Qualität erinnert dieser Film auch an Rolf Schübels "Walerian Wrobel" und reiht sich damit in eine doch recht dünne Tradition wirklich herausragender Werke über die Nazizeit ein. (13.3.)