„A.I. – Artificial Intelligence“ (#) von Steven Spielberg. USA, 2001.Haley Joel Osment, Frances O’Connor, Sam Robards, Brendan Gleeson, Jude Law, William Hurt
Spielberg der Märchenonkel ist mal wieder unterwegs, und bei allem Respekt für seine menschlich oder historisch engagierten Filme (wobei in vielen Fällen deutliche Einschränkungen vonnöten sind) muß man wohl feststellen, daß dies seine ehrlichste und liebste Inkarnation ist – nirgends sonst wähnt er sich so in seinem Element wie hier, wo er Märchen- und Hollywoodkitsch vermengen kann mit nebulösem Gedankenbrei und vor allem massenhaft technischer Spielerei. Zwar taucht der Name Stanley Kubricks immer mal in Vor- und Abspann auf, doch ist dies nie und nimmer ein Kubrick-Film, sondern ganz und gar und zu hundert Prozent ein Spielberg-Film, ganz egal, womit da sonst noch geworben wird und wem das Werk im letzten Satz gewidmet ist.
Der Film ist sehr lang und zerfällt in mehr oder weniger drei Teile, von denen jeder vielleicht einen eigenen Film ergeben hätte, die zusammengefügt aber kein annähernd organisches Ganzes ergeben, sondern nur noch einen wüsten Genremix im Sci-Fi-Gewand: Zunächst geht’s um den kleinen David, einen Roboter, den der ehrgeizige William Hurt designt hat um zu beweisen, daß Maschinen fast so menschlich wie echte Menschen werden können. David landet also bei einem Ehepaar, dessen Kind im Koma liegt und zu sterben droht. Nach anfänglichen Problemen läuft‘s bestens mit den dreien, bis das leibliche Kind doch zurückkommt und David erkennt, daß er bei der Mutter niemals den Platz des Sohnes einnehmen kann. Als es zu ein paar dramatischen Fehlreaktionen kommt, beschließen die Eltern, den kleinen Robo auszusetzen, und so geschieht es. Nun folgt Teil zwei, eine wilde, ruppige Abenteuergeschichte, die David auf der Flucht vor den Jägern erlebt, die funktionsgestörte und –unfähige Robos einfangen und vernichten. Er tut sich mit dem Gigolo Joe zusammen auf der verzweifelten Suche nach seiner Familie, doch nach einer zunehmend mystischen und abgehobenen Odyssee landet er tief im Wasser in den Ruinen des alten, nach Naturkatastrophen längst überfluteten New York, und erst zweitausend Jahre später – jetzt in Teil drei – wird er von gar merkwürdigen Gestalten aufgetaut und es wird ihm durch sensationelle DNA-Technik ermöglicht, seine geliebte Mom für einen einzigen Tag noch einmal bei sich zu haben.
Man sieht schon, es geht am Schluß reichlich pathetisch zu, Mystik und große Gefühle schäumen wuchtig hoch, John Williams‘ Musik brandet wabernd umher, und insgesamt ist man leider sehr weit entfernt von der eigentlich ganz witzigen und interessanten Ausgangskonstellation, die sowohl Raum für ironische Spielereien mit dem Genre als auch für ein dezentes Melodram geboten hätte. In dem einfachen familiären Rahmen entwickelt Spielberg starke Identifikationsmomente und gibt vor allem Osment und der sehr einnehmenden und charismatischen Frances O’Connor viel Raum für eindrucksvolles Spiel. Dann aber geht’s in die Achterbahn, ab auf die Technospielwiese und nun gibt es kein Halten mehr, die Effekte übernehmen die Regie, verselbständigen sich und machen Menschen, Gedanken und Geschichten gnadenlos platt. Freunde des Actionfilms werden vielleicht ihren Spaß haben und auch solche, die aufwendige Computeranimationen bewundern und extravagante Set Designs lieben. Andere, so wie ich, mögen sich etwas verstimmt fragen, was bitte dieser Scheiß jetzt soll. Der dritte Teil – Spielberg hat sicherlich an „A Space Odyssey“ gedacht – ist nur noch kraftlos, nichtssagend und zu lang, er treibt umher in einem weit entfernten, beliebigen und merkwürdig uninteressant und detailarm ausgestatteten Zukunftsuniversum, das einmal New York war, und hier soll sich dann ein Kreis schließen oder der arme David zur finalen Erkenntnis gelangen oder was auch immer, jedenfalls merken wir Zuschauer, falls wir es nicht schon längst kapiert hatten, daß dieses ganze wahnwitzig aufgeblasene Gebilde nur auf die eine banale und alles andere als neue oder originelle Erkenntnis hinausläuft, nämlich daß keine noch so perfekte und tolle Technik den Menschen ersetzen oder ihm jemals gleichkommen kann, weil sich eben Gefühle nicht programmieren lassen. Wenn dies, nach all der Technokacke zuvor, jetzt eine Kritik an blinder Fortschrittsgläubigkeit moderner Technokraten sein soll, oder wenn auf irgendeine Art Partei ergriffen werden soll für mehr Menschlichkeit auf dem Planeten (in einem Film, der bestimmt mehr von Maschinen als von Menschen gemacht wurde), wenn also Spielberg mit diesem sicherlich sündhaft teuren Machwerk irgendeine ernsthafte Aussage verfolgt haben sollte, so kann ich leider nur darüber lachen. Am besten ist man sicherlich beraten, diesen Film als reines Kommerz- und Unterhaltungsprodukt aus Hollywoods Fließbandwerkstatt zu begreifen (denn genau das ist er und nichts anderes), aber selbst dann fände ich mich wenig getröstet, denn Sci Fi hat mich, bis auf wenige Ausnahmen, noch nie sonderlich interessiert, und warum zum Teufel sollten wir uns um künstliche Intelligenz scheren, wenn wir mit unserer bescheidenen natürlichen schon nicht zurande kommen? (24.9.)