„alaska.de“ von Esther Gronenborn. BRD, 2000. Jana Pallaske, Frank Droese, Toni Blume

Sabine wird von der geschiedenen Mutter zum geschiedenen Vater ins Ghetto am Berliner Stadtrand abgeschoben. Neue Schule, neue Leute und Eddie, der sich auf spezielle Pubiart etwas mehr um sie bemüht. Doch Eddie und sein Kumpel (ey, was geht?) Micha werden in eine Stecherei mit Todesfolge verwickelt und Sabine kriegt das mit und fortan lastet ihr Wissen schwer auf ihrer Beziehung zu Eddie. Am Schluß fallen sogar Pistolenschüsse und Micha, der Sabine beinahe schon umgebracht hätte, ist tot, aber das hilft keinem wirklich, denn schlußendlich müssen Sabine und Eddie, die von der gemeinsamen Flucht im Ballon nur träumen können, doch in die grüne Minna steigen.

 

Ein Film, der sich um die Belange von Jugendlichen mit wenig an sogenannter Perspektive sorgt, ist per se sympathisch und kann nicht wirklich schlecht sein. Es gibt nicht viel davon hierzulande – nicht daß es kein Milieu in der BRD gäbe, es gibt nur keinen, der den Blick dafür hat und keinen, der es anschließend sehen will. Der Lieblingssatz in solchen Momenten ist: Probleme hab ich eh schon genug, die will ich im Kino nicht auch noch sehen. Und so werden in deutschen Filmen immer noch lieber feine Appartements zwischen Hamburg und München abgelichtet als trostlose Betonwüsten irgendwo zwischen Berlin und Brandenburg. Also, dieser Film widmet sich letzteren und das ehrt ihn. Außerdem hat er ein sehr gutes Ohr für die Sprache und den Umgang der Leute, für ihre Umgebung, ihre Rituale, ihre Gewalt. Es ist kein pädagogischer oder urteilender Blick, eher ein solidarischer, mitfühlender, aber doch genauer. Kampfhunde, Drogen, Waffen und eine entsprechende Sprache kennzeichnen das Miteinander, in dem die Jungs sich eine harte Schale zulegen und die Mädels sich anpassen müssen, wenn sie dazu gehören wollen. Die Eltern bleiben dabei interessanterweise völlig im Hintergrund, bis auf Sabines Vater, der aber keine große Rolle spielt. Gezeigt werden nur die Kinder, die Straßen, die Rohbauten, die Schule, der Beton, der Alltag zwischen Brachwiesen, die an die Vorstädte alter italienischer Filme erinnern, verrauchten Hinterzimmern und verwahrlosten Treppenhäusern und Türfluchten. Der Film hätte mir dabei im ganzen noch viel besser gefallen, wenn er auf die etwas melodramatisch aufgeplusterte Story verzichtet und sich noch mehr auf banale Schilderungen beschränkt hätte, denn ich glaube, daß das Leben dort eher banal abläuft und nicht ständig unter Hochspannung steht. Sabines zunehmend bedrohliche Lage als unerwünschte Zeugin sorgt zwar für Spannung, aber ich persönlich mag lieber Milieufilme wie diesen, wenn sie ohne zusätzliche Dramaturgie auskommen, was durchaus möglich ist. Eine sich langsam anbahnende Liebesgeschichte zwischen ihr und Eddie wäre vielleicht eine Alternative gewesen und hätte genauso viel Raum für Studien und kritische Beschreibungen gegeben. So aber fühlt man sich zum Schluß fast in irgendeine große Tragödie hineingezogen, die so gar nicht zu dem Personal paßt, und wenn schließlich auch noch ein kleiner Junge durch einen irrtümlichen Pistolenschuß den bösen Micha zur Strecke bringt, gewinnt das Melodram zu sehr die Oberhand. Ästhetisch gesehen orientiert man sich an moderne Cliptechnik, mit verfremdeten Farben, überlagernden Bildern und Schnitten, unscharfen Einstellungen, alles ganz aktuell, psychedelisch, irgendwie jung, nicht unbedingt mein Geschmack in allem, aber auf der anderen Seite sehr gut dem Thema und der vermutlichen Zielgruppe angepaßt. Apropos Zielgruppe: Wie bitteschön soll die erreicht werden, wenn so ein guter und auch ganz wichtiger Film nicht länger als drei Tage lang und dann auch noch bis knapp nach Mitternacht gezeigt wird? Bei uns im Kinosaal hockten jedenfalls nur ältere und höchstens indirekt betroffene Herrschaften, die zu dem Film bestimmt ein ganz anderes Verhältnis haben als Fünfzehn- oder Sechzehnjährige. (Oder sitzen die alle zur gleichen Zeit bei Lara Croft und Crocodile Dundee?) (2.7.)