„Almost famous“ (#) von Cameron Crowe. USA, 2000. Patrick Fugit, Billy Crudup, Kate Hudson, Frances MacDormand, Jason Lee, Fairuza Balk, Philip Seymour Hofman, Anna Paquin
Eine Regel, und zwar eine ziemlich zuverlässige, besagt, daß ein Film immer gut wird, wenn er Herzensangelegenheit seines Autors und Regisseurs ist. Und auf was könnte diese Regel mehr zutreffen als auf die Biographie? Wenn also Cameron Crowe einen Film über seine Jahre als Rock’n Roll-Kritiker in den Siebzigern macht, über seine erste große Bandgeschichte für das Rolling Stone-Magazine, aber auch über seine erste große Liebe, über seine Mutter, über Lester Bangs und vor allem über die Musik jener Zeit, also etwa 1973/74, kann man mit ruhigem Gewissen davon ausgehen, daß dies ein schöner, bewegender, persönlicher Film sein wird. Und genau das ist er geworden. Eine Hommage an die Siebziger, natürlich, aber so, wie eine gute Hommage aussehen muß: Voller Liebe und Humor, aber auch ehrlich genug, um die sogenannten Schattenseiten deutlich zu zeigen und auch das auszusprechen, was die ewigen Nostalgiker am liebsten verschweigen würden.
Der fünfzehnjährige William schreibt schon länger für ein Lokalblatt in San Diego, als er eines Tages eine Anfrage vom Rolling Stone erhält, ob er ihnen nicht mal einen Artikel schreiben wolle. Also macht sich William auf den Weg, ein Interview mit Black Sabbath zu organisieren, landet aber bei der Vorgruppe Stillwater und schließlich auf einer wochenlangen Tournee mit der Band kreuz und quer durch die USA. Und das bei der Mutter! Die ist Professorin, alleinerziehend und hält ihre beiden Kinder in einer wahren Hölle der Wohlanständigkeit, der Sauberkeit und der echten Werte. Dazu gehören: Kein Sex, keine Drogen und vor allem kein Rock’n Roll, denn der steht ja für genau dies. Folglich traktiert Muttchen ihren kleinen Sohn fortan mit täglichen Kontrollanrufen, sehr zum Verdruß des Teenies, der gern erwachsen werden möchte. Denn da gibt es jede Menge Frauen, Groupies, oder Band Aids, wie sie sich vornehm nennen, da gibt es das Versprechen einer neuen, faszinierenden Welt. Doch diese Welt, das kriegt William bald mit, hat tiefe Risse. Die Künstler schlingern in einem haltlosen Rausch durch die Weltgeschichte, haben nicht mal mehr Kontrolle über ihr eigenes Gerede, dauerhafte Freundschaften sind kaum vorstellbar, entweder regieren Eitelkeit und Selbstsucht oder Mißtrauen aus vielen schlechten Erfahrungen, für ernsthafte Absichten scheint hier kein Platz zu sein. William bewundert den Gitarristen der Band und Penny Lane, einen süßen Groupie, die ihrerseits seit Jahren schon rastlos von Band zu Band reist, mal weitergereicht wird, mal als Pokerbeute verspielt, und jedenfalls immer allein mit ihren eigentlichen Sehnsüchten. William erlebt außerdem den langsam aber sicheren Ausverkauf des Rock’n Roll, die beginnende totale Kommerzialisierung des Geschäfts, die totale Vermarktung, den totalen Starkult, die rasant wachsenden Geldbeträge, all das, was vor allem die Musiker selbst kaum verkraften konnten. In den salbungsvollen, wirren aber gleichwohl allzu wahren Verbalergüssen von Lester Bangs werden die Dinge beim Namen genannt und Crowe benutzt seinen Film nicht zuletzt auch zur Illustrierung genau dieser Tatsache. Der alte Rock’n Roll war vorbei, tot, die Ideale der Sechziger abgesoffen im Drogenrausch und in unerfüllten Zielen, und nun sollte nur noch die große Kohle gemacht werden, es zählte eher der Star als die Musik, eher die Präsentation als der Inhalt. Anhand der eher durchschnittlichen, musikalisch recht biederen Band Stillwater entwirft Crowe ein präzises, einfühlsames und sehr intensives Porträt der Zeit, ihrer Umbrüche und der Auswirkungen auf die Leute, wobei es absolut nicht um irgendwelche Extrembeispiele geht, sondern eher um ganz normale Schicksale. Natürlich lebt der Film von der großen Authentizität, die Crowe den Szenen geben konnte, weil er sie selbst so oder so ähnlich erlebt hat. Er suhlt sich werde in Selbstmitleid noch in kontraproduktiver Nostalgie, er bewahrt sich einen klaren, dennoch sehr emotionalen Blick auf die Zeit und die Menschen, er ist eher den Menschen nahe als den Accessoires, dem Design und spürt mit sehr viel Sensibilität nochmals den eigenen Gefühlen nach, verknüpft brillant die verschiedenen persönlichen Geschichten mit einem umfassenderen Blick auf das ganze Milieu, das Umfeld des Business. Zudem ist der Film mitreißend gestaltet, von allen Beteiligten großartig gespielt und natürlich mit sehr viel sehr schöner Musik unterlegt, die mich auch schon seit zwanzig Jahren begleitet und mich daran erinnert hat, daß ich mich, obgleich ich ja eher in den Achtzigern „groß“ wurde, musikalisch stets in den frühen Siebzigern zuhause gefühlt habe. Ein sehr intensives Erlebnis also für alle, die irgend etwas mit jener Zeit anfangen können, aber vielleicht auch für andere – auf jeden Fall ein sehr guter, sehr schöner Film. (7.5.)