„Baise-moi“ (#) von Virginie Despentes. Frankreich, 2000. Karen Bach, Raffaela Anderson
Nadine und Manu vögeln und metzeln sich einmal quer durch Frankreich, bevor sie selbst draufgehen. Das war’s. Ein gemeiner, rüder Gewaltporno in verwaschener Videoqualität zu lauter Musik mit zwei Hauptdarstellerinnen, die im wahrsten Sinne des Wortes alles von sich hergeben, der sehr viel Spekulationen über seine Absichten zuläßt, was ja heutzutage für jeden echten guten Skandalfilm gelten soll, dem armen Konsumenten im Notfall aber auch nicht so sehr viel hilft. Man kann Ursachenforschung betreiben: Nadine wächst im Immigrantenmilieu auf, Drogen, Bandenkriege, viel Gewalt, wenig Wärme. Sie wird von drei Jungs vergewaltigt und erschießt dann eher versehentlich ihren Bruder der ihr eine weitere Predigt halten will. Danach ist es mit ihrer Zügelung vorbei und sie erklärt, daß sie von nun an Spaß haben und sich holen will, was sie braucht. Zufällig trifft sie Manu, die Männern für Geld einen bläst und von ihrer Mitbewohnerin so genervt wird, bis sie diese im Kampf erwürgt. Auch sie hat wenig moralische Bedenken, als es auf den großen Raubzug geht. Vielleicht üben die beiden Rache an allen Männern, an ihrer Gewalttätigkeit, ihrer Brutalität, mit der sie sich die Frauen nehmen, sie erniedrigen, sie benutzen. Sie drehen folglich den Spieß um, nutzen die Jungs als Befriedigungsobjekte aus und töten sie auch schon mal, wenn sie ein Gummi drüberziehen wollen oder es im Bett nicht packen. Daß offensive Frauen, die wissen, was sie wollen, wenn es um Sex geht, zumeist auf Angst und Schrecken bei den Schwanzträgern stoßen, ist keine Neuigkeit und sorgt in diesem Zusammenhang höchstens für Komik der grimmigsten, grausamsten Sorte. Aber so ein richtiger Frauenfilm mit Solidarität ist es dann auch wieder nicht (zumal Manu und Nadine das unfaßbare Geschehen fast sprach- und emotionslos durchlaufen), denn die beiden töten auch Frauen, wenn sie sie ausrauben etwa oder zuletzt im Sexclub, wo sie alles umschießen, was sich bewegt. Vielleicht ist es auch ein Film über die allgemeine Gewalt in der Gesellschaft: Männer und Frauen sind im Krieg, die Sprache ist sehr gewalttätig geworden, Ausdruck von Kälte und Aggressionen, ein jeder kann sich Waffen besorgen und Sex in jeder Form ist auch nur noch ein Mittel zur Unterdrückung, Ausbeutung, Demütigung. Die zahlreichen und krass deutlichen Sexszenen haben also nichts mit Liebe, Leidenschaft oder Zärtlichkeit zu tun, sondern höchstens mit der Sucht nach Vergnügen und dem Willen, sich seinen Spaß zu nehmen, egal was es kostet und egal wer darunter leidet. Auf jeden Fall also ein Film, der sich klaren, übersichtlichen Erklärungen verweigert, und vielleicht auch nur dazu da ist, um uns arme, blöde Spießer zu provozieren. Damit hätte er sicherlich seine Existenzberechtigung und das hat für mich persönlich durchaus eine größere Relevanz, denn ich sah mich nach langem mal wieder in der Situation, meine eigenen Sehgewohnheiten bzw. meine Abstumpfung zu reflektieren mit einem recht erschreckenden Resultat, denn die meiste Zeit lief dieser zutiefst grausame und bedrückende Film vor meinen Augen ab, ohne mich tiefer drin irgendwie zu berühren, was sicherlich nur zum Teil daran lag, daß eine innere Schutzvorrichtung angesichts solch massiver Rohheit die Schotten dicht machte. Manchmal läuft so ein Film auch ins Leere, weil man einfach schon zuviel gesehen hat. (31.1.)