„Beau travail“ (#) von Claire Denis. Frankreich, 1999. Denis Lavant, Grégoire Colin, Michel Subor
Den Filmen von Claire Denis war hierzulande, mit Ausnahme ihres ersten, „Chocolat“, stets mehr oder weniger das gleiche Schicksal beschieden: Sie liefen mal für ein paar Tage zu mitternächtlichen Stunde in pflichtbewußten Programmsälen, oder man konnte sie gleich auf Arte als deutsche Erstaufführung sehen. „Scheiß auf den Tod“, „Nenette und Boni“, „Ich kann nicht schlafen“, alles dunkle, enorm starke, dichte, spröde Filme, die von einer großen Individualität und Kompromißlosigkeit zeugen und für die breite Masse wenig Reize haben. Genau das läßt sich auch über den neuen sagen, der immerhin, wenn auch mit beträchtlicher Verspätung, mal wieder für eine Woche das Hauptprogramm schmückt, kontrovers und eigenwillig wie eh und je, geprägt von einer Filmemacherin, die scheinbar unbeirrbar ihren ganz eigenen Weg geht.
Es wird weniger eine Geschichte erzählt, es werden viel eher Bilder gezeigt von Männern der Fremdenlegion oder etwas vergleichbarem, die draußen am Roten Meer in Dschibuti ihre skurrilen Manöver und Übungen abhalten, scheinbar ziellos durch die Gegend ziehen und so lange interne Spannungen aufbauen, bis es schließlich fast zwangsläufig zu Toten kommt. Erzählt wird all dies von einem ranghöheren Offizier, der nach seiner Entlassung rastlos durch Marseille streift, völlig gefangen von seinen Erinnerungen, die bisweilen obsessive Züge haben und verraten, daß der Mann nicht loskommt von der Armee, den Männern, der Wüste. So obsessiv, bisweilen traumartig, stilisiert und grandios wie die verklärten Erinnerungen sind auch die Bilder dieses Films, der uns sehr leicht durch seine oberflächliche Erscheinung täuschen kann, der uns nämlich gern an pathetische, heroisierende Propagandafilme über tolle Männerkörper und ihre tolle Mission erinnert, jedoch einen gänzlich anderen Charakter annimmt, wenn man sich die Mühe macht, nur ein wenig in die Tiefe einzudringen. Es geht natürlich um Männer und ihre Körper, ihre Gesellschaft, ihre Riten, ihre Sprache und vor allem um das, was die Sprache im Allgemeinen ersetzt. Es geht um das rabiate Training, um meditative Körperübungen, um das Miteinander zwischendurch, um Vorlieben und Eifersucht, um versteckte, unterdrückte, unerlaubte Gefühle von Mann zu Mann. Der Offizier erinnert sich an einen ganz jungen Rekruten, der einen starken, zwiespältigen Reiz auf ihn ausübte, und an seinen Vorgesetzten, seine Ausstrahlung und Autorität, die für ihn ein großer Anhaltspunkt und ein Vorbild waren. Seine eigenen unklaren Gefühle wandeln sich schließlich in Eifersucht und er drückt dem jungen Rekruten ein Strafexerzieren auf, das der nicht überlebt. Denis braucht keine starken Worte, um die Inhumanität und Absurdität der militärischen Regeln darzustellen, sie riskiert sogar Zweideutigkeiten und Fehlinterpretationen, indem sie vielfach verlockende, stilisiert ästhetische Tableaus kommentarlos hinstellt, sie praktisch dem Zuschauer zum Fraß hinwirft, auf das er damit tue, was er möchte. Der Film spielt sich fast wortlos auf einer fast rein visuellen Ebene ab, er zeigt alles, was er zeigen will, in seinen Bildern, und die sind tatsächlich von überragender Ausdruckskraft. Agnès Godard porträtiert Gesichter, Körper, Landschaften zwischen Meer, Wüste, Licht und Dunkelheit mit genialem Gefühl, macht Bewegung, Hitze, Kampf, Ohnmacht und Gewalt gleichermaßen subtil und unvergeßlich intensiv deutlich. Denis Lavant mit seiner grandiosen Körpersprache und Grégoire Colin mit extrem zurückgenommenen Gesten bilden die Gegenpole in einem Drama voller unerfüllter, unausgesprochener, verdeckter Erotik in einer Gesellschaft, die von archaischen Gehorsamsregeln geprägt ist und langsam selbst nicht mehr weiß, weshalb es sie überhaupt noch gibt. Die offensichtliche Sinnlosigkeit ihre gesamten Tuns wird reflektiert in den Gesichtern der Eingeborenen, die sich schüchtern, aus der Entfernung, aber durchaus auch mit verständnislosem Amüsement anschauen, was diese komischen Uniformierten dort treiben. Der Kontrast könnte wahrlich nicht größer sein: Hier die tief verwurzelten Menschen, die noch immer so leben wie vor Jahrtausenden und auch genau wissen, was sie tun und weshalb. Dort die völlig entwurzelten Soldaten, ohne Sinn oder Mission, ihrer Individualität beraubt, auf Jasagen und im Dreck rutschen reduziert, die sich allesamt, ob Hohe oder Niedrige, an ihre Rituale um ihrer selbst willen klammern, weil sie sonst rein gar nichts mehr haben, was ihnen Halt geben könnte. Am Schluß sieht man den entlassenen Offizier alleine tanzen, ruckartig, mal wie paralysiert verharrend, dann wieder wie irre lostobend, in wüster Verzweiflung, hilfloser Wut, Angst, Einsamkeit. Diese drei Minuten fassen alles zusammen, was vorher war und zeigen exemplarisch Denis` Fähigkeit, die Bilder sprechen zu lassen statt vieler unnötiger Worte. Eine meisterliche Leistung, unkonventionell, vielschichtig, eigensinnig, beeindruckend. (9.7.)